Frauenrechte:Saudi-Arabien: Freie Fahrt für ein bisschen freiere Bürgerinnen

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  • Frauen in Saudi-Arabien dürfen ab Juni 2018 den Auto-Führerschein machen.
  • Die Entscheidung trägt die Handschrift des Kronprinzen Mohammed bin Salman.
  • Die Rechte für Frauen haben sich in den vergangenen Monaten verbessert - doch die praktischen Folgen müssen sich in der konservativen Gesellschaft erst noch zeigen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Saudi-Arabiens König Salman hat per Dekret erlassen, dass Frauen in dem konservativen Königreich künftig das Autofahren erlaubt sein wird. Das Fahrverbot war weltweit zu einem Symbol der Rückständigkeit des Königreichs geworden.

Schon kurz nach der Thronbesteigung Salmans hatten saudische Diplomaten durchblicken lassen, dass mit einer entsprechenden Änderung zu rechnen sei - wenn die Zeit dafür reif sei. Die Entscheidung wurde nun zeitgleich im Staatsfernsehen und auf einer Pressekonferenz in Washington bekanntgegeben.

Die Regierung muss laut amtlicher Nachrichtenagentur SPA binnen 30 Tagen Vorschläge zu den Details vorlegen. Die Änderungen sollen dann im Juni 2018 in Kraft treten und mit den Grundsätzen der Scharia in Einklang stehen, dem aus dem Koran abgeleiteten islamischen Recht.

Technisch gibt es kein Gesetz in Saudi-Arabien, das es Frauen verbietet, ein Auto zu lenken. Die Behörden stellten ihnen bislang aber keinen Führerschein aus. Und natürlich gab und gibt es ultrakonservative Kleriker, die allerlei angeblich aus der Religion abgeleitete Gründe anführen, warum Frauen nicht fahren dürfen. Die Mehrheit der Kleriker in dem vom König ernannten Rat der Höchsten Religionsgelehrten habe dem Edikt aber zugestimmt, berichtete SPA.

Handschrift des Kronprinzen

Frauenaktivistinnen, die sich den bisherigen Regeln verweigerten und sich trotzdem hinters Steuer setzten, wurden verhaftet und auch mit Gefängnis bestraft. Besonders hart fielen die Strafen aus, wenn sie ihre Fahrten publik machten, etwa durch Videos in sozialen Netzwerken. Die wohl bekannteste Autofahrerin ist Manal al-Sharif, die sich 2011 von einer Freundin filmen ließ, als sie durch die Stadt Khobar fuhr.

Das Video war am nächsten Tag das meistgesehene in einem Land, in dem gerade junge Menschen so viel mit ihren Handys im Internet surfen wie sonst nirgends auf der Welt. Manal al-Sharif wurde vorübergehend festgenommen. Der Vorwurf lautete, sie habe die öffentliche Meinung gegen den Staat aufgewiegelt.

Die jetzige Entscheidung trägt die Handschrift des zum Kronprinzen aufgestiegenen Königssohns Mohammed bin Salman. Der 32-Jährige hatte zuvor schon durchgesetzt, dass es in Saudi-Arabien Unterhaltungsveranstaltungen gibt, organisiert von einer staatlichen Behörde. Männer und Frauen saßen bei Vorstellungen gemischt im Auditorium - in eigens ausgewiesenen Bereichen für Familien zwar, aber die sonst zumeist strikte Trennung der Geschlechter wurde auf diese Weise durchbrochen. So gingen jüngst zum saudischen Nationalfeiertag Bilder von Frauen um die Welt, die an den Feierlichkeiten in den Stadien teilnahmen.

MbS, wie der Kronprinz oft nach seinen Initialen genannt wird, hatte bereits die Rechte der Religionspolizei stark beschnitten, die zum Beispiel über die Einhaltung der Geschlechtertrennung und der Bekleidungsvorschriften für Frauen wacht.

Rechtlich bedeutender aber waren Lockerungen des Vormundschaftsrechts, das Männern bis dahin weitgehende Kontrolle über die Frauen gab. Gänzlich abgeschafft ist es nicht, doch für die Wahrnehmung einiger Rechte benötigen Frauen nun nicht mehr die Zustimmung von Ehemann oder naher männlicher Verwandter. Künftig können sie selbständig ein Studium beginnen, einen Arzt besuchen oder sich auch einen Pass ausstellen lassen. Gerichte und Ämter müssen Frauen nun offenstehen. Auch für die Gründung einer Firma oder um einen Beruf auszuüben brauchen sie keine Zustimmung mehr.

Auch hier gab es kein Gesetz, das eine Zustimmung des männlichen Vormunds vorschrieb. "Aber sie wurde dennoch gewohnheitsmäßig verlangt", wie die Frauenrechtlerin Basmah Omair damals sagte.

Welchen Wert die Änderungen für Frauen in der noch immer sehr konservativen Gesellschaft haben, muss sich erst noch zeigen. Soziale Konventionen sind oftmals das eigentliche Hindernis. Gegen den Willen ihrer Familie zu handeln geht für Frauen oft mit sozialer Ächtung einher.

Die eingeleiteten Änderungen, vor wenigen Jahren noch kaum vorstellbar, sind Teil einer breit angelegten Reform-Agenda des Kronprinzen, die unter dem Titel "Vision 2030" bekannt ist.

Im Kern ist damit der Umbau der Wirtschaft gemeint, die unabhängiger von den Öleinnahmen werden soll. Der zweite Kernbereich sind gesellschaftliche Reformen und eine Öffnung, die sich vor allem viele junge Saudis wünschen, die längst die Mehrheit im Land stellen. Der Popularität von MbS im Land wird die leichte Liberalisierung ebenso helfen wie dem internationalen Image Saudi-Arabiens.

Repressionen nehmen zu

Nicht alle Pläne stoßen im Land jedoch auf Zustimmung. Zuletzt hatte das Königshaus angekündigte Wirtschaftsreformen teilweise rückgängig gemacht, abgeschwächt oder mit längeren Fristen versehen. So revidierte der König anlässlich der Ernennung seines Sohnes zum Kronprinzen Kürzungen bei den Zulagen für Staatsbedienstete, die zu erheblichem Unmut geführt hatten.

Zugleich haben jüngst die Repressionen gegenüber Kritikern zugenommen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte Mitte September die Festnahme von etwa 30 Klerikern, Intellektuellen und Aktivisten als "koordiniertes Durchgreifen gegen abweichende Meinungen".

Widerspruch gegen Entscheidungen des absolut herrschenden Monarchen und seines Sohnes, vor allem rund um den Boykotts des Nachbarlandes Katar, werden - anders als Debatten über gesellschaftliche Fragen - weiterhin nicht toleriert.

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