Franziskus auf Lampedusa:Papst gedenkt ertrunkener Flüchtlinge

In drei Jahrzehnten sollen auf ihrem Weg von Nordafrika nach Europa auf dem Mittelmeer mindestens 20.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Bei seinem Besuch auf Lampedusa fordert Papst Franziskus nun ein Ende der "Globalisierung der Gleichgültigkeit".

Lampedusa ist nicht nur eine kleine Insel irgendwo zwischen Italien und Afrika. Sie ist für zahllose Menschen zum Tor nach Europa - und als solches längst zum Symbol für den Umgang mit Flüchtlingen geworden. An diesem Montag hat Papst Franziskus Lampedusa besucht und ein Ende der Gleichgültigkeit gefordert.

Im Anschluss an die Bibelgeschichte von Kain und Abel stellte der Papst bei einer Messe mit 10.000 Flüchtlingen und Einheimischen die Frage: "Wer ist verantwortlich für das Blut dieser Brüder und Schwestern? Niemand! Wir alle antworten so: Nicht ich, ich habe damit nichts zu tun, das sind andere, aber nicht ich." (Die Predigt im Wortlaut finden Sie auf den Deutschen Seiten von Radio Vatikan.)

Franziskus kritisierte das Desinteresse der Welt - er sprach von einer "Globalisierung der Gleichgültigkeit" - am Schicksal der unzähligen Menschen, die auf der Flucht nach Europa ihr Leben verloren: "Wir sehen den halbtoten Bruder am Straßenrand und denken vielleicht 'der Arme!', und gehen weiter unseres Weges, weil es nicht unsere Aufgabe ist; und wir glauben, dass alles in Ordnung sei."

Franziskus, der am Vormittag nach Lampedusa gekommen war, appellierte indirekt auch an die Politik: "Wir bitten dich, Vater, um Verzeihung für diejenigen, die mit ihren Entscheidungen auf höchster Ebene Situationen wie dieses Drama hier geschaffen haben."

Ein Kranz für die Ertrunkenen

Vor der Messe, die der Papst mit einem Kreuz und einem Kelch feierte, die aus Treibholz gefertigt wurden, fuhr er mit einem Boot der Küstenwache aufs Meer hinaus und ließ einen Kranz ins Wasser gleiten, in Erinnerung an die vielen Menschen, die auf der Flucht ihr Leben gelassen haben. In den vergangenen drei Jahrzehnten sind bei der Überquerung des Mittelmeeres Richtung Europa laut Schätzungen mindestens 20.000 Menschen ertrunken oder verdurstet.

Der Pontifex traf mit 50 jüngst auf Lampedusa angekommenen Flüchtlingen zusammen, nicht aber mit Politikern oder kirchlichen Würdenträgern.

Zu Franziskus' bisher gepflegtem bescheidenen Stil passte auch, dass er sich auf Lampedusa mit einem Fiat fortbegewegte, den er von einem Inselbewohner geliehen hatte.

Nur Stunden bevor Franziskus auf Lampedusa eintraf, erreichte ein Boot mit 166 Flüchtlingen an Bord die 20 Quadratkilometer große Insel. Im ersten Halbjahr 2013 sind fast 4000 Flüchtlinge aus Afrika nach Lampedusa gekommen - drei Mal so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Doch viele, die in Europa all ihre Hoffnung legen, erreichen das ersehnte Ziel nicht: Viele ertrinken während der gefährlichen Überfahrt von der 138 Kilometer entfernten afrikanischen Küste, die genaue Zahl liegt im Dunkeln. Schätzungen zufolge sollen jährlich mehr als 1500 Flüchtlinge in der Straße von Sizilien ums Leben kommen.

Abkommen mit Libyen und Tunesien senken Flüchtlingszahlen

Die höchsten Flüchtlingszahlen auf Italiens südlichster Insel gab es während des Arabischen Frühlings 2011: Fast 48.000 Migranten trafen damals auf Lampedusa ein. Die Hälfte davon waren Emigranten aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara - darunter Kriegsflüchtlinge aus Äthiopien und Somalia, die zuvor in Libyen lebten. Die andere Hälfte stammte aus Tunesien.

In der Vergangenheit verfügte Lampedusa über ein Lager, wo die Flüchtlinge identifiziert und abgeschoben wurden, wenn sie den Asylkriterien nicht entsprachen. Mittlerweile wurde daraus ein Aufnahmezentrum mit lediglich 250 Betten. Die Migranten werden mit Fähren zu Auffanglagern auf dem italienischen Festland gebracht, bevor sie ausgewiesen werden, andere landen in Zentren für Asylbewerber.

Rom hat mit den neuen Regierungen in Libyen und Tunesien Abkommen zum wirksameren Kampf gegen Einwanderer ohne gültige Papiere abgeschlossen. Die Flüchtlingszahlen gingen in der Folge zurück.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: