Hätte er doch nur "Krethi und Plethi" gesagt, der SPD-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus. Dann wäre sofort alles klar gewesen. Oder "Hinz und Kunz". Doch Raed Saleh erwähnte in einem Fernsehinterview zum Rücktritt der Familienministerin: "Oma Krawuttke" und "Opa Ernst", welche Franziska Giffeys Schritt trotz der unsauberen Doktorarbeit und den fortbestehenden Plänen, Regierende Bürgermeisterin in Berlin zu werden, angeblich "ordentlich" fanden. Doch wer ist Oma Krawuttke?
Ein Blick ins Berliner Telefonbuch. Kein einziger Treffer. Auch woanders taucht sie nicht auf. In den sozialen Netzwerken finden sich ein paar wenige Krawuttkes, doch handelt es sich offenbar um Schein-Identitäten. Ebenso wie jener "Siggi Krawuttke", den der deutsche Komödiant Matze Knop gelegentlich auf der Bühne verkörpert. Auch ein eher unbekannter Kinderlied-Komponist ("Verlier niemals dein Lachen") nennt sich Krawuttke. Von einer Oma: keine Spur.
Ja, hätten Krethi und Plethi den Rücktritt der Ministerin als "ordentlich" bezeichnet, so hätte man gleich mehr gewusst! Denn dahinter würden sich wohl "Kreter und Philister" verbergen - wie im zweiten Buch Samuel, wo die Mitglieder der Leibwache König Davids so genannt werden. Oma Krethi und Opa Plethi wären dann aus dem heiligen Land und von der Insel Kreta. Nur: Was hätten sie mit Frau Giffey zu tun? Auch Hinz und Kunz sind ja so ein Synonym für "jedermann": Hinz meint "Heinrich", und Kunz meint "Konrad". Und, richtig, welcher deutsche Herrscher des Hochmittelalters hieß nicht so?
Im DDR-Zentralorgan "Neues Deutschland" wurde mal eine "Frau Krawuttke" erwähnt
Aber wer ist nun diese "Oma Krawuttke"? Immerhin: Der Berliner Theaterhistoriker Peter Jammerthal entdeckt noch einen Eintrag in dem sozialdemokratischen Blatt Vorwärts: Im Jahr 1935 sei mit diesem Namen der "tumbe berlinische Kleinbürger" illustriert worden, meint Jammerthal. Eine heiße Spur! Nur eine Oma entdeckt auch er nicht in seinen Archiven. Aber: Im DDR-Zentralorgan Neues Deutschland wurde mal eine "Frau Krawuttke" erwähnt. In ihrem Treppenhaus soll sie einen Einbrecher derart brutal vermöbelt haben, dass dieser geradezu dankbar war, als endlich die Polizei kam. So sei es geschehen "im Februar 1949 in der Lehderstraße in Berlin-Weißensee", versichert der Autor zum Schluss des Artikels. Aber hieß diese Frau auch wirklich Krawuttke? Oder ist das ein Pseudonym?
Auch in den Ost-Berliner "Mosaik"-Comics der 1950er-Jahre tritt ein gewisser "Krawuttke" auf. Er teilt sein Zugabteil mit einem preußischen Hauptmann. Als Krawuttkes Gepäckstück unverhofft aus dem Netz fällt und auf der Pickelhaube des Hauptmanns landet, heißt es: "Herrn Krawuttke nicht pläsiert, / dass sein Koffer jetzt lädiert." Aber gut, das hilft auch nicht weiter.
Doch nun meldet sich der "Verein für die Geschichte Berlins" und verweist freundlicherweise auf die "möglicherweise östliche Herkunft" des Namens. Interessant! Tatsächlich wird der Familienname Wuttke gerne mit dem slawischen Woit (Dorfvogt), dem sorbischen Woda (Wasser, auch Schnaps) oder dem altpreußischen Wutris (Schmied) in Verbindung gebracht. Das vorgestellte "Kra" wirkt krähenhaft.
Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass es sich bei "Oma Krawuttke" um eine im deutschen Fernsprechnetz leider derzeit nicht auffindbare, womöglich aber schlagkräftige, ordnungsliebende, vielleicht sogar genussfreudige Vogelfreundin handeln könnte, welche mit einem gewissen Ernst verheiratet ist.
Sachdienliche Hinweise werden jederzeit angenommen.