Frankreich zur Königszeit:Wie ein Halsband eine Staatskrise auslöste

The Torture of Madame de la Motte Jeanne de Saint Remy de Valois Comtesse de la Motte Engraved by Meyer Heine after De La Charlerie From Histoire de la Revolution Francaise by Louis Blanc

Zur Strafe wurde der Betrügerin Jeanne de la Motte ein "V" für "Voleuse", Diebin, eingebrannt.

(Foto: Mauritius Images)

Im 18. Jahrhundert, kurz vor der Französischen Revolution, stürzte ein Betrugsskandal Frankreich in die Krise. Mit dabei: eine raffgierige Adelige, ein liebestoller Kardinal und Königin Marie Antoinette.

Von Josef Schnelle

Die Affäre um ein kostbares Halsband für Marie Antoinette, die prunksüchtige Königin von Frankreich, gilt als Beleg für die Verantwortungslosigkeit des Königshauses.

Während das Land unter Hungersnöten ächzte und die Staatskasse durch die Beteiligung Frankreichs unter Ludwig XVI. am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg schwer litt, erging sich der Adel in immer opulenteren und kostspieligeren Festen.

Da schien das "Collier de la reine" mit 540 Diamanten in der Größenordnung von insgesamt mehr als 2800 Karat exakt ins Luxusleben zu passen, das vor der Französischen Revolution am Hof geführt wurde.

1,6 Millionen Livre (je nach Inflationsberechnung etwa fünf bis acht Millionen Euro nach heutigem Wert) verlangten die Hofjuweliere Charles Böhmer und Paul Bassenge für das ungewöhnliche Schmuckstück. Angeblich hatte es einst Ludwig XV., der Großvater Ludwigs XVI., für seine Mätresse, "Madame Dubarry", vorgesehen.

1778 schlug Ludwig XVI. seiner Gattin erstmals vor, das Collier für sie zu erwerben. Doch Marie Antoinette fand es zu teuer und lehnte es 1781 als Präsent zur Geburt des Dauphins Louis-Joseph erneut ab.

Die Juweliere, die befürchteten, die teuren Brillanten nicht mehr loszuwerden, machten sich auf die Suche nach einem Vermittler, der das Königspaar überreden sollte, das Collier doch noch zu kaufen. So begann die verzwickte Posse und das Betrügerdramolette um das damals berühmteste Schmuckstück der Welt. Heute ist eine Kopie davon ausgestellt im Schloss Breteuil, südwestlich vom Park von Versailles, sie wirkt eher kitschig als wahrhaft prächtig.

"Das Halsband funkelte wie die Ringe einer Schlange"

Aber hat es wirklich so ausgesehen? Wenig mehr als ein paar Zeichnungen existieren davon. Allerdings lieferte Alexandre Dumas der Ältere in seinem grandiosen Kolportageroman "Das Halsband der Königin" 1849 eine wunderbare Beschreibung von Marie Antoinettes erster Begegnung mit dem Collier:

"Der Atem verging ihr. Sie nahm aus dem Etui ein Halsband von so großen, reinen, strahlenden und geschickt angeordneten Diamanten, dass sie einen Strom von Phosphor über ihre schönen Hände herabfließen zu sehen glaubte. Das Halsband funkelte wie die Ringe einer Schlange, an denen jede Schuppe ein Blitz war."

Die Juweliere hörten von einer angeblichen Vertrauten der Königin, einer verarmte Adligen namens Jeanne de la Motte. Diese hatte schon seit Längerem Kontakt zu Kardinal Louis René de Rohan, dem Fürstbischof von Straßburg, aufgenommen, der Erster Minister von Frankreich werden wollte. Bei der Königin war er aber äußerst unbeliebt.

Als französischer Botschafter in Wien hatte er schon Maria Theresia von Österreich und eben deren Tochter Marie Antoinette, die damals noch nicht Königin war, durch Klatsch und Tratsch gegen sich aufgebracht. Nun wollte er diesen Makel ausgleichen.

Comtesse de la Motte überredete ihn, für das Halsband zu bürgen und die Kosten vorzustrecken. Sie zeigte ihm - natürlich gefälschte - Schreiben der Königin, die deren Interesse am Schmuck bekräftigten und regte einen direkten Briefwechsel zwischen dem Kardinal und Marie Antoinette an.

Bald ließ sich Rohan, von dem manche sagen, er sei liebestoll gewesen, auf alles ein und war überzeugt von einer romantischen und mächtigen Zukunft bei Hofe. Comtesse de la Motte versprach sogar, ein heimliches Treffen mit Marie Antoinette im Park von Versailles zu arrangieren.

Dort traf Rohan nachts auf eine Frau mit schwarzem Kapuzenmantel, der er eine Rose schenkte. In Wahrheit war der Kardinal nur einer Prostituierten begegnet, die der Königin ähnlich sah, gerne künftige Freuden versprach und schnell wieder verschwand. Als Vertrauter der la Motte war angeblich auch der bekannte Fälscher Alessandro Cagliostro beteiligt.

Alle Angeklagten widersprachen sich

Rohan zahlte das teure Collier an und übergab es der Comtesse de la Motte, die es an die Königin weiterreichen wollte. Doch dort kam es nie an. Dafür war der Ehemann der la Motte längst nach London gefahren, wo er die wertvollen Steine aus dem Halsband brach und verkaufte, so eine der Theorien über den Verbleib des Schmuckstücks. Der Betrug flog auf, als die Juweliere einen Brief an Marie Antoinette schrieben, um sich für den Kauf des Schmucks zu bedanken.

Der wütende König ließ Rohan verhaften, im September 1785 begann ein spektakulärer Skandalprozess. Alle Angeklagten widersprachen sich. Rohan gab an, die Briefe der Königin verbrannt zu haben. Madame de la Motte hatte nichts niemandem versprochen, und Cagliostro gab sich gänzlich unbeteiligt.

In Paris kursierten jede Menge Schmähschriften, vor allem auf Kosten von Marie Antoinette, der das Volk sowieso jede Orgie zutraute. Madame de la Motte wurde ein "V" für "Voleuse", Diebin, auf jeder Schulter eingebrannt. Sie sollte lebenslang in der psychiatrischen Anstalt Salpêtrière büßen, aus der sie aber bald ausbrach.

Cagliostro wurde freigesprochen, und Kardinal Rohan musste zwar das verschwundene Collier abbezahlen, entging aber nach Protesten sogar des Papstes der Verbannung.

Eine gewaltige Menge begleitete den Kardinal zur Bastille, wo er noch eine letzte Nacht verbringen musste. Die Menschen trugen rote Mützen, nachempfunden dem Kardinalshut, aber auch schon ähnlich den Revolutionsmützen, die wenige Jahre später zum Symbol des Aufstands wurden. Das Volk rief: "Hoch lebe der unschuldige Kardinal". Ein Hauch von Revolution lag in der Luft.

"Madame Defizit", wie man im Volksmund die an der Affäre eigentlich unbeteiligte Königin nannte, hatte verloren. Als sie 1793 zur Guillotine gefahren wurde, hat mancher sicher auch an die Halsbandaffäre gedacht.

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