Frankreich:Strichergeschichten - Mitterrand unter Druck

"Die Fülle sofort verfügbarer Jungs versetzt mich in Begierde": Weil er vor Jahren ein Buch über Sextourismus geschrieben hat, hagelt es Kritik für Frankreichs Kulturminister.

Ein freizügiges Buch über seinen Sextourismus nach Thailand bringt den französischen Kulturminister Frédéric Mitterrand massiv unter Druck. Dabei geht es auch um den Vorwurf des Sexualverkehrs mit Minderjährigen.

Der sozialistische Abgeordnete Arnaud Montebourg rief Präsident Nicolas Sarkozy auf, Mitterrand zu entlassen. Der Élyséepalast stellte sich dagegen hinter den Minister und sprach von unwürdiger Polemik.

Anlass ist das Buch "La mauvaise vie" (Das schlechte Leben), das der 62-jährige Neffe des früheren Präsidenten François Mitterrand vor vier Jahren veröffentlichte. Die autobiographische Erzählung gibt Einblick in seine behütete Kindheit und der Autor bekennt sich auch freimütig dazu, schwul zu sein. Das Buch bescherte ihm seinerzeit einen schönen Erfolg. Nicht nur wurden davon 190 000 Exemplare verkauft, auch die Kritik geizte nicht mit Lob und Anerkennung.

"All diese Rituale erregen mich gewaltig"

Jetzt jedoch bereitet ihm dieses Erzählwerk Ungemach, denn Mitterrand hat auch über Homosexuellen-Bordelle in Asien geplaudert - und das ziemlich freizügig: "All diese Rituale des Marktes für schöne Jünglinge, des Sklavenmarktes, erregen mich gewaltig. Die verschwenderische Fülle sofort verfügbarer Jungs versetzt mich in einen Zustand der Begierde, den ich nicht mehr bremsen oder verbergen muss", schreibt er.

Er fährt fort: "Geld und Sex, ich bin im Herzen meines Systems. (...) Die westliche Moral, die ewige Schuld, die Schmach, die ich mit mir herumschleppe, fliegen in Stücke." Jetzt geht die Debatte darum, ob Mitterrand mit Jugendlichen Sex hatte. Aus dem Zusammenhang ergibt sich zweifelsfrei, dass jene Prostitution männlicher Jugendlicher gemeint ist, die Scharen einschlägig gepolter Touristen nach Thailand oder Indonesien locken. Mitterrand, so die Botschaft, gehörte dazu und auch ihn hat dieses Treiben, laut seiner Erzählung unwiderstehlich angezogen.

Solche literarischen Konfessionen sind in Frankreich nicht erst seit den Tagen, da sich der in der Bastille inhaftierte Marquis de Sade seine erzwungene Muße damit vertrieb, wüste sexuelle Phantasmen zu Papier zu bringen, keine Seltenheit. Dennoch erntet der Minister jetzt heftige Kritik.

Warnung vor "vorschnellen Urteilen"

Mitterrand habe "vorsätzlich unter Verletzung der nationalen und internationalen Gesetze gehandelt", erklärte Montebourg. Das Gesetz müsse für alle gelten. "Außerdem ist es unmöglich, dass ein Minister, der Frankreich vertritt, die Verletzung der internationalen Engagements zum Kampf gegen den Sex-Tourismus ermutigen kann. Seine Ablösung ist daher zwingend."

Der Parteisprecher des Sozialisten, Benoît Hamon, erklärte empört: "Während Frankreich mit Thailand den Kampf gegen das Übel des Sextourismus angeht, haben wir einen Minister, der erklärt, dass er selbst Kunde ist." Die Grünen-Chefin Cécile Duflot warnte dagegen vor einer Vermengung von Pädophilie und Homosexualität.

Sarkozys Sonderberater Henri Guaino verteidigte Mitterrand. "Wurde er vor Gericht gestellt? Es gibt keine Fakten", sagte Guaino. "Die politische Debatte nimmt manchmal pathetische Allüren an. All das ist voller Exzesse und reichlich unwürdig."

Er sehe nicht, warum man Jahre nach der Buchveröffentlichung "so radikale Konsequenzen" wie eine Entlassung ziehen sollte. Innenminister Brice Hortefeux warnte vor "vorschnellen Urteilen". Mitterrand sei als kompetenter Kulturminister "von allen anerkannt".

Dagegen sagte Arbeitsminister Xavier Darcos, Mitterrand müsse "anders als nur mit Empörung" auf die Vorwürfe antworten. "Man wirft ihm moralisch persönliches Verhalten vor. Er muss darauf antworten."

Die Rechten haben die Jagd eröffnet

Die rechtsradikale Nationale Front (FN) hatte die Jagd auf Mitterrand eröffnet, nachdem der Minister den Regisseur Roman Polanski in Schutz genommen hatte. Polanski wurde in der Schweiz festgenommen, weil er in den USA wegen Sex mit einer 13-Jährigen vor mehr als drei Jahrzehnten gesucht wird. Mitterrand erklärte, die US-Justiz habe Polanski eine Falle gestellt, und sprach von einem "Amerika, das Angst macht".

FN-Vizechefin Marine Le Pen las daraufhin am Montag in einer TV-Diskussion Passagen aus Mitterrands Buch vor. "Was kann man den Sexualstraftätern sagen, solange Frédéric Mitterrand noch Kulturminister ist?", fragte Le Pen. Die Regierung plant gerade ein Gesetz zur "chemischen Kastration" von Sexualstraftätern.

Mitterrand selbst sprach von einer Schmutzkampagne. Der von ihm alterslos benutzte Begriff "Junge" bedeute nicht "minderjährig". "Von der Nationalen Front in den Schlamm gezogen zu werden, ist eine Ehre", sagte der Kulturminister. "Wenn ein linker Abgeordneter mich in den Schlamm zieht, ist das eine Schande für ihn."

France Police erklärte dagegen, auf Sex mit minderjährigen Prostituierten stünden bis zu drei Jahre Haft. "Als Polizeigewerkschaft halten wir es für unsere Pflicht, die Gesellschaft vor Sexjägern zu schützen, auch wenn es sich um Minister handelt." Mitterrands "Geständnis in seinem Buch reicht vollkommen, um Vorermittlungen zu diesem schwerwiegenden Tatbestand aufzunehmen".

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