Süddeutsche Zeitung

Frankreich:Online-Portal hetzt gegen Polizisten

Eine französische Webseite ruft zur Gewalt gegen Polizisten auf - und stellt Fotos und Adressen von Beamten gleich dazu. Möglicherweise sind manche der Betroffenen zu sorglos mit ihren Daten im Netz umgegangen.

Stefan Ulrich, Paris

Die einen werden als Provokateure und Schläger gescholten, andere als Alkoholiker oder Faschisten. Die Rede ist von französischen Polizisten und Gendarmen, die zu Dutzenden mit Fotos auf der Internetseite "Copwatch-Nord-Ile-de-France" angeprangert werden. Die Bilder zeigen sie oft im Porträt, manchmal im Dienst, manchmal privat. Dabei stehen Kommentare wie: "Stratege der Hinterhalte und der Jagd auf die Armen", "Zögert nicht zuzuschlagen" oder "Erniedrigt die Einwanderer und behandelt sie wie Deppen".

Innenminister Claude Guéant ist empört und will die Internet-Seiten nun teilweise sperren lassen. Copwatch veröffentliche Namen, Fotos und Adressen von Polizisten, dies sei skandalös und gefährde die Beamten, sagt Guéant. Den Betreibern gehe es nur darum, "zu stigmatisieren und die Polizisten samt ihren Familien zu stören".

Die Gewerkschaft Unité SGP Police kritisiert, Copwatch verbreite Slogans, die zum Widerstand gegen die Polizei aufriefen und so zur Gewalt aufstachelten. Ein Beamter, der auf der Internetseite angeprangert wurde, fand kürzlich eine Gewehrkugel in seinem Briefkasten. Die Copwatch-Betreiber rechtfertigen sich, sie wollten Missstände in der Polizei aufdecken und für Transparenz sorgen. Sie berufen sich auf ähnliche Initiativen, die in den USA seit den neunziger Jahren entstanden sind.

Dabei gehen die französischen "Polizeibeobachter" raffiniert vor, indem sie sich etwa auf Facebook als Freunde von Polizisten ausgeben und so an Fotos und persönliche Informationen kommen. "Manche Polizisten sind nicht vorsichtig genug, sie sollten besser darauf achten, was sie über sich in den sozialen Netzwerken verbreiten", sagt ein Polizeigewerkschafter.

Der Innenminister hat nun eine einstweilige Verfügung gegen französische Internet-Provider beantragt, um den Zugang zu einem Teil der Copwatch-Seiten sperren zu lassen. An die Betreiber von Copwatch-Nord-Ile-de-France selbst kommt das Ministerium nicht heran, weil die Seiten auf einem Server in den USA angesiedelt sind. Die französischen Geheimdienste behaupten, hinter Copwatch steckten linksradikale Aktivisten. Die Internet-Provider wiederum argumentieren, sie seien nicht für den Inhalt der Seiten verantwortlich, sondern stellten nur eine Vermittlungstechnik zur Verfügung. Die Justiz will an diesem Freitag entscheiden.

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Quelle:
SZ vom 13.10.2011/leja
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