Frankreich:Der falsche Minister

Frankreich: Der echte Jean-Yves Le Drian.

Der echte Jean-Yves Le Drian.

(Foto: Ludovic Marin/AFP)
  • Der Strippenzieher der Betrugsserie wurde in Paris zu elf Jahren Haft und einer Strafzahlung von zwei Millionen Euro verurteilt.
  • Knapp 50 Millionen Euro hatten mehrere Opfer auf Konten der Betrüger überwiesen.
  • Sie glaubten, das Geld gehe an das französische Verteidigungsministerium.

Von Nadia Pantel, Paris

Durchschnittsbürger werden von Betrügern gern mit Geschenken geködert. Zum Beispiel mit einer E-Mail, in der ein überraschendes Erbe in Aussicht gestellt wird, das sofort überwiesen werden könne, man müsse nur kurz seine Bankdaten mitteilen. Eine französische Verbrechergruppe operierte mit einer aufwendigeren Masche. Sie suchte sich reiche Opfer und versprach ihnen kein Geld, sondern bat um Millionen. Der fingierte Absender der entsprechenden E-Mails war auch kein angeblicher Anwalt in einem weit entfernten Land, so wie man es aus dem Spamverdacht-Ordner kennt, Absender war (angeblich) der damalige französische Verteidigungsminister: Jean-Yves Le Drian.

Die E-Mail Adresse, die auf "diplomats.com" endete, habe es stutzig gemacht, erzählte eines der Opfer später in Fernsehinterviews, auch die fehlenden Akzente über den Vokalen fand er ungewöhnlich. Der Mann ging zur Polizei. Doch viele andere waren weniger misstrauisch. Knapp 50 Millionen Euro überwiesen mehrere Opfer auf Konten der Betrüger, im Glauben, das Geld gehe an das französische Verteidigungsministerium.

Der falsche Jean-Yves Le Drian begann seine "Arbeit" im Jahr 2015. Zu einer Zeit, als die Franzosen schockiert waren von den islamistischen Anschlägen in Paris und vom Wüten der Terrormiliz IS in Syrien. Die Betrüger gaukelten ihren vermögenden Opfern vor, französische Geiseln müssten gegen Lösegeld aus der Gefangenschaft von Terroristen befreit werden. Da der Staat diese Summen nicht selbst aufbringen dürfe, sei er auf kooperationswillige Mittelsmänner angewiesen, die sich "für die Republik" engagieren möchten. Das Geld werde ihnen der Staat später "diskret" zurückzahlen.

Auch eine Silikonmaske von Fürst Albert II. von Monaco

Um glaubwürdiger zu wirken, führten die Betrüger ein kleines Spektakel auf. Zunächst rief also ein angeblicher Mitarbeiter Le Drians an, dann meldete sich der vermeintliche Minister persönlich per Videoschalte. Für diesen Zweck hatten die Verbrecher eine Silikonmaske Le Drians anfertigen lassen, der falsche Minister sprach dann vor französischer und europäischer Fahne in die Kamera. Nach ein paar Sekunden brach das Bild stets wegen "schlechter Verbindung" ab.

Der Strippenzieher dieser Betrugsserie, Gilbert Chikli, wurde nun am Mittwoch in Paris zu elf Jahren Haft und einer Strafzahlung von zwei Millionen Euro verurteilt. Ein weiterer Mittäter wurde zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Der 54-jährige Chikli, französischer und israelischer Staatsbürger und bereits verurteilter Betrüger, fasziniert die Franzosen so sehr, dass sein Leben verfilmt wurde. "Je compte sur vous", ich zähle auf Sie, lief 2015 in den französischen Kinos an. Chikli streitet die Verantwortung für die Taten des falschen Le Drian ab. "Sie sollten sich schämen!", rief er nach der Verkündung des Urteils.

Der echte Le Drian ist übrigens inzwischen nicht mehr Verteidigungs-, sondern Außenminister. Die Betrüger hatten sich in mehr als 100 Fällen seiner Identität bemächtigt, um sich Millionenbeträge zu erschleichen. In dem Fotospeicher eines mutmaßlichen Mittäters von Chikli fanden die Ermittler ein Bild eines Mannes, der eine Silikonmaske trug, mit der er aussah wie Fürst Albert II. von Monaco. Fälle eines falschen Fürsten, der um Geld bittet, sind in Frankreich bislang allerdings nicht bekannt geworden.

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