Süddeutsche Zeitung

Frankreich:Die Macht der Jäger

  • Jäger haben in Frankreich auf zwei Surfer geschossen, weil sie diese "mit Fasanen verwechselt" hätten.
  • Nur eine Woche zuvor kam es zu einem ähnlichen Vorfall: Ein Jäger erschoss einen britischen Mountainbiker, weil er diesen für ein Wildschwein gehalten haben will.
  • Politische Konsequenzen aus den Unfällen wurden bislang nicht gezogen. Auch Frankreichs Präsident Macron gilt eher als Befürworter der Jägerschaft.

Von Nadia Pantel

Ein ausgewachsener Fasan kann bis zu 90 Zentimeter lang werden, ein ausgewachsener Franzose erreicht laut einer Studie des Imperial College London im Durchschnitt eine Körperlänge von 1,80 Metern. Steht ein Fasan, macht sich seine Länge durch die Schwanzfedern vor allen Dingen horizontal bemerkbar, die Größe eines Franzosen misst man hingegen vertikal. Selbst wenn man sich einen sehr großen Fasan vorstellt und einen sehr kleinen Franzosen, der Unterschied wäre mit bloßem Auge zu erkennen.

Eine Gruppe Jäger aus der Bretagne sieht das anders. Sie haben am Sonntag im Morgengrauen auf zwei Surfer geschossen, da sie diese "mit Fasanen verwechselt" haben. Er könne verstehen, dass es "Angst macht", wenn Bleimunition neben einem auf den Boden regnet, sagte der Vorsitzende der bretonischen Jägervereinigung, aber es habe sich um "ungefährliche Luftschüsse" gehandelt.

2017 wurden in Frankreich 18 Menschen bei Jagdunfällen getötet

Frankreichs Nationales Büro der Jagd und wilden Fauna warnt in seinem Jahresbericht 2017 vor der "Hypersensibilität der Medien" bei Jagdunfällen, "trotz rückläufiger Zahlen". 1999 hatten französische Jäger beim Danebenzielen 232 Mal Menschen getroffen, 39 der Verletzten starben. 2017 lag die Zahl der Verletzten bei 143, die Zahl der Toten bei 18.

Die Jagdsaison 2018 wurde im September eröffnet. Am 13. Oktober zog eine Gruppe Jäger in den Savoyen los, um Wildschweine zu erlegen - und feuerte auf einen Briten, der mit dem Mountainbike unterwegs war. Der Mann ist tot. Und Frankreich diskutiert das Recht auf Wald.

Marc Giraud, Vorsitzender des französischen Vereins für Wildtierschutz, fordert einen jagdfreien Sonntag. Auch wenn das eher Pilzsuchern als Bodenbrütern nützt. Der Abgeordnete Alain Perea, Mitglied der Regierungspartei La République en Marche (LRM), fragt hingegen auf Twitter: "Warum verbieten wir nicht das Mountainbiken während der Jagdsaison?" Diese dauere nur vier Monate.

1,1 Millionen Jäger sind in Frankreich registriert. Nur zum Vergleich: Der Deutsche Jagdverband zählt aktuell 383 828 Jagdscheine. Wenn man nun zu jedem Jäger noch eine Ehefrau addiert, denn Jagen bleibt ein Männerhobby, kommt man auf zwei Millionen französische Wähler, die es zu umwerben gilt. Das hat weder der mountainbikekritische Perea verpasst, noch Präsident Emmanuel Macron. Der greift zwar nicht selbst zum Gewehr, kann jedoch laut Parisien auswendig alle 89 Tierarten aufzählen, die in Frankreich zur Jagd freigegeben sind.

Macrons Verbeugungen vor der Jägerschaft sind mal handfest, mal symbolisch. Er hat den Preis der Jagdlizenz von 400 auf 200 Euro halbiert. Und seinen 40. Geburtstag feierte er vergangenes Jahr auf Schloss Chambord, dem früher royalen, heute legendären Jagdrevier.

Chambord wird von Macrons Vertrautem und LRM-Senator François Patriat verwaltet. Patriat denkt laut darüber nach, ob man nicht zum Beispiel "Putin nach Chambord einladen" solle. Jagen als bewährtes Mittel der Diplomatie.

In der Nacht seiner Geburtstagsfeier gesellte sich Macron zu den Jägern und ihren frisch erlegten Wildschweinen. Obwohl er um Diskretion gebeten hatte, twitterten die Jäger stolz ein Foto des Halali-Präsidenten um die Welt.

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SZ vom 25.10.2018/ankl
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