Frankreich:"Hat er wirklich vier Millionen gesagt?"

Christiane Tarride

Die französische Schauspielerin Christiane Tarride in einer alten Filmaufnahme. Im vergangenen Juni starb sie im Alter von 93 Jahren.

(Foto: Filmstill)

Eine Schauspielerin vererbt einer kleinen französischen Gemeinde ein Vermögen. Bürgermeister Hervé Buisson über den Moment, als er davon erfuhr - und wie er die Bedingungen des Testaments erfüllen will.

Interview von Nora Reinhardt

Es klingt wie ein Märchen: Eine arme kleine Gemeinde mit 3333 Einwohnern mitten in Frankreich bekommt von einer reichen Witwe ein Vermögen vermacht. Einzige Bedingung: Mit den vier Millionen Euro muss ein Theater gebaut werden. Denn die alte Dame, Christiane Tarride, war Schauspielerin. Sie lebte in der Gemeinde Courville-sur-Eure bis zu ihrem Tod mit 93 Jahren im Juni. Bürgermeister Hervé Buisson über eine äußerst unerwartete Erbschaft.

SZ: Herr Buisson, Christiane Tarride hat Ihrer Gemeinde vier Millionen Euro für den Bau eines Theaters vermacht. Haben Sie die gute Neuigkeit schon verdaut?

Hervé Buisson: Es geht, ich muss schon sagen, ich habe überhaupt nicht mit so einem immensen Erbe gerechnet. Das war eine riesige Überraschung.

Wie haben Sie überhaupt davon erfahren?

Ich habe einen Brief vom Notar unserer Nachbargemeinde bekommen. Ich hab mich schon gewundert. Dann bin ich zu ihm gefahren und habe im Wartezimmer eine Dame getroffen, die sagte: "Ich glaube, wir sind wegen der gleichen Angelegenheit hier." Als ich merkte, dass es um das Erbe von Christiane Tarride ging, fiel mir ein, dass eine Frau, die ihr nahestand, mir einmal gesagt hatte, Madame Tarride wolle der Gemeinde nach ihrem Tod etwas vermachen - aber das hätte ja alles sein können. Der Notar sagte, er vollstrecke das Testament von Christiane Tarride aus dem Jahr 2011 - ein handbeschriebenes Heft, aus dem er den letzten Willen vorlas. Und dann kam die Zahl: vier Millionen Euro. Das Dumme war nur, ich hatte das erst nicht richtig gehört. Und mich gefragt: Hat er wirklich vier Millionen gesagt?

Ich nehme an, Sie haben im Rathaus erst einmal einen Champagner aufgemacht?

Nein, wir bleiben nüchtern. Ich hab das zunächst für mich behalten. Gut, dem Generalsekretär des Rathauses hab ich schon Bescheid gegeben. Dann haben wir alles in Ruhe vorbereitet und drei Wochen darauf eine Pressekonferenz gegeben. Das Telefon stand an dem Tag nicht mehr still.

maire de Courville

Hervé Buisson, 53, wurde im Jahr 2014 für sechs Jahre zum Bürgermeister der kleinen französischen Gemeinde Courville-sur-Eure gewählt. Buisson ist parteilos. Der Ort liegt gut 100 Kilometer südwestlich von der Hauptstadt Paris.

(Foto: OH)

Und jetzt? Planen Sie schon fleißig?

Das ist alles gar nicht so einfach, das Theater darf nicht zu groß und nicht zu klein werden, im Moment planen wir mit einem Saal für vielleicht 300 Besucher. In ihrem Testament stand, es müsse ein Neubau sein, daran halten wir uns. Wir freuen uns auf unser eigenes Theater. Das nächstgelegene Theater ist 25 Kilometer entfernt.

Haben Sie denn überhaupt ein Ensemble im Ort, das das Theater bespielen kann?

Ja, na klar, "Le Manteau d'Arlequin" heißen sie, der Mantel des Harlekin. Die ist eine Laiengruppe, aber sehr gut! Sie hatten vier Jahre keinen Auftritt, aber jetzt wird die Gruppe natürlich wiederbelebt.

Kannten Sie Madame Tarride persönlich?

Ja, sie war eine sehr fröhliche Person, eine Künstlerpersönlichkeit, auch sensibel. Sie hatte eine Mühle, gegenüber vom Fluss. Vor dem Wahlkampf zur letzten Kommunalwahl 2014 hatte ich die Idee, dass wir doch die Fotos von unserem Team bei ihr machen könnten. Sie hatte nichts dagegen. Drei Jahre zuvor hatte sie ihr Testament gemacht - aber das wussten wir zu dem Zeitpunkt ja noch nicht. Sie hat ihr Geld nie zur Schau gestellt, sie hatte Angst, dass die Menschen ihre Meinung über sie ändern, wenn sie wüssten, wie vermögend sie war.

Sagt Ihnen das Theaterstück "Der Besuch der alten Dame" von Dürrenmatt eigentlich etwas?

Nein. Worum geht's denn da?

Eine Milliardärin, die ihr Vermögen ihrem Ehemann verdankt, kehrt in ihr verarmtes Heimatdorf zurück, kauft Immobilien auf, und verspricht demjenigen eine Milliarde, der ihren einstigen Liebhaber tötet ...

Théâtre de Chartres.

Momentan ist das nächste Theater 25 Kilometer von der Gemeinde entfernt und steht in Chartres (im Bild) - das wird sich nun ändern.

(Foto: Arnaud Lombard)

Das ist bei uns natürlich ganz anders.

Was halten Sie von einem Erbe, das an eine Bedingung geknüpft ist?

Ich finde das gut. Man vermacht ja nicht so eine hohe Summe und sagt: Macht damit, was ihr wollt! Viel einfacher, als wenn wir uns hätten einigen müssen. Gut, wir hatten eher Sportprojekte auf dem Zettel, aber jetzt ist es eben so. Wir können mit dem Geld jetzt vermutlich nicht nur ein Theater bauen, sondern ein ganzes Kulturzentrum. Das Zentrum benennen wir selbstverständlich nach der Gönnerin: "Espace culturel Christiane Tarride".

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