Süddeutsche Zeitung

Frankfurter Landgericht:Tödliche Teufelsaustreibung

  • In einem Hotelzimmer im Frankfurter Bahnhofsviertel soll eine Familie eine 41-jährige Verwandte getötet haben.
  • Die Frau erstickte, als ihre Angehörigen sie einem Exorzismus unterzogen.
  • Die Behörden gehen davon aus, dass das Opfer psychisch krank war.

Von Anna Fischhaber

Eine Teufelsaustreibung mitten in Frankfurt am Main. Ein Exorzismus im Hotelzimmer, an dessen Ende eine angeblich von Dämonen besessene Frau stirbt. Getötet durch fünf teils noch minderjährige Familienmitglieder. Was klingt wie Szenen aus einem schlechten Horrorfilm, wird von diesem Montag an vor dem Frankfurter Landgericht verhandelt. Die Anklage lautet auf gemeinschaftlichen Mord. Das Gericht soll nun klären, wie es im Dezember 2015 so weit kommen konnte.

Erst im Sommer 2015, wenige Monate vor der Tat, zieht das Opfer mit Verwandten aus Südkorea nach Deutschland. Die Familie will hier ein Import-/Export-Geschäft eröffnen. In Sulzbach im Taunus mieten sie ein Haus. Ein Haus, von dem die Familie offenbar bald glaubt, dass dort Dämonen ihr Unwesen treiben. Anwohner erinnern sich an Rollläden, die den ganzen Tag geschlossen waren. "Die haben immer nur im Dunkeln gelebt", erzählt eine Nachbarin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Das Opfer selbst soll auffällig gewesen sein, es ist die Rede von Selbstgesprächen, wahrscheinlich war die Frau psychisch krank. Ihre Verwandten, Anhänger einer christlichen Kirche in Südkorea, vermuteten allerdings, dass ihr auch böse Geister zusetzten.

Weil die Dämonen weichen sollen, mieten sie ein Zimmer in einem schicken Business-Hotel im Frankfurter Bahnhofsviertel. Für eine Teufelsaustreibung. In dem Hotelzimmer gehen die Angeklagten dann äußerst brutal vor. Stundenlang halten sie die Frau an Händen und Füßen fest, prügeln auf ihren Brustkorb und ihren Magen ein. Damit die anderen Gäste nichts mitbekommen, stecken sie dem Opfer ein Handtuch in den Mund, später einen Kleiderbügel. Die 41-Jährige erstickt.

"Mich überrascht nicht, dass so etwas hier passiert ist"

Was bringt Menschen dazu, eine Verwandte so brutal zu misshandeln? Die Staatsanwaltschaft geht derzeit nicht von einem Mord aus Verlangen aus. "So etwas habe ich noch nie erlebt. Sie fügten ihr Schmerzen und Qualen körperlicher Art zu, die über das für die Tötung erforderliche Maß weit hinaus gingen", sagt Oberstaatsanwältin Nadja Niesen.

"Mich überrascht nicht, dass so etwas hier passiert ist", sagt dagegen Marcus Wegner. Der Autor gilt als einer der wenigen Exorzismus-Experten in Deutschland. An mehr als 100 Teufelsaustreibungen hat er nach eigenen Angaben teilgenommen.

Etwa fünf Exorzismen finden jeden Tag in Deutschland statt, glaubt Wegner. "Überall wo es den christlichen Glauben gibt, gibt es auch den Glauben an den Teufel und das dieser vom Mensch Besitz ergreifen könnte." Allerdings sei es ein Trugschluss, dass ein solches Ritual immer gewalttätig sei. "Eigentlich ist eine Teufelsaustreibung überhaupt nicht brutal - statt Schlägen gibt es meistens stille Segensgebete, die beruhigen sollen."

In Deutschland hat die Teufelsaustreibung seit dem Tod von Anneliese Michel einen schlechten Ruf. 1976 verhungerte die Studentin, nachdem man mit Genehmigung des zuständigen Bischofs monatelang versucht hatte, ihr die Dämonen auszutreiben. In der katholischen Kirche wird bei Anzeichen teuflischer Besessenheit heute empfohlen, auch einen Psychiater aufzusuchen.

Zwei Angeklagte waren bei der Tat erst 15

Weniger Berührungsängste gebe es in der evangelikalen Szene, sagt Wegner. Problematisch werde es zudem, wenn Privatleute Exorzismen organisierten. Eine Seltenheit sei das aber nicht. Im ländlichen Bereich fänden solche Austreibungen immer wieder statt. Zuletzt starb vor einigen Jahren in Düsseldorf eine Frau bei einem Exorzismus.

Wie es in Frankfurt zum Schlimmsten kommen konnte, soll nun an 15 Verhandlungstagen geklärt werden. Geladen sind Sachverständige und auch zwei Zeugen aus Südkorea, die das Opfer kannten. Die Staatsanwaltschaft geht von dem Mordmerkmal Grausamkeit aus.

Weil drei der Angeklagten jünger als 21 Jahre sind, verhandelt eine Jugendstrafkammer. Unter den Beschuldigten ist nicht nur der heute 16-jährige Sohn der Toten, sondern auch dessen 15 Jahre alter Cousin. Beide Jungen sollen den Ermittlungen zufolge bei der Fixierung geholfen haben. "Sämtliche Angeschuldigte nahmen ein Ersticken der Frau zumindest billigend in Kauf", heißt es in der Anklageschrift. Zudem werden eine 44-jährige Cousine der Toten, deren Sohn, 22, und Tochter, 19, auf der Anklagebank sitzen. Die Richter sollen auch klären, wie groß die Schuld der einzelnen Angeklagten am Tod der Frau ist.

(Mit Material der Agenturen)

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