Frankenthal:Barbarischer Glanz

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Ein junger Mann findet einen uralten Schatz aus Gold und Silber in der Pfalz. Vermuteter Wert: eine halbe Million Euro. Allerdings meldet er den Fund nicht den Behörden - zur Strafe wurde er nun wegen Unterschlagung verurteilt.

Von Wolfgang Janisch, Frankenthal

Die Archäologie schätzt Leute wie Benjamin Czerny nicht sonderlich, aber sie wird ihm einen kleinen Platz in den Annalen einräumen müssen. Sonden-Bennie - unter diesem Namen kennt man ihn in einschlägigen Schatzsucher-Foren im Internet - ist der Finder des "Barbarenschatzes" von Rülzheim in der Südpfalz. Rund 100 wertvolle Gold- und Silberstücke, wahrscheinlich aus dem 5. Jahrhundert, darunter ein Silberteller mit dem Kopf einer Römerin und - der Star des Schatzes - ein verzierter Klappstuhl: ein einzigartiger hochherrschaftlicher Reisestuhl, wie man ihn zuvor nur von Abbildungen kannte. Knapp eine halbe Million Euro soll der Fund wert sein. Für einen Hobby-Schatzsucher wie Czerny ist das der Jackpot. Trotzdem ist die Sache vorerst nicht gut für den 24-Jährigen ausgegangen: Das Landgericht Frankenthal hat ihn an diesem Montag wegen Unterschlagung zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt; außerdem muss er 2000 Euro an die Stiftung für Denkmalschutz zahlen. In erster Instanz hatte das Amtsgericht Speyer noch 15 Monate auf Bewährung verhängt. Sein Verteidiger will Revision einlegen.

Es war Anfang Mai 2013, Sonden-Bennie war mit Freunden schon ein paar Stunden im Rülzheimer Wald auf der Suche, als sein Metalldetektor plötzlich ein "großes Signal" anzeigte. Er begann zu graben und stieß in einer Tiefe von einem halben Meter auf ein paar silbrige Gegenstände. Nicht der übliche Schrott, den Sondengänger sonst haufenweise aus dem Boden holen. "Wir wussten, dass es etwas Außergewöhnliches ist", bekannte er vor Gericht.

Er versteckt den Schatz bei einem Bekannten. Angeblich, um ihn vor Dieben zu schützen

Vor ein paar Jahren lagen sie noch im Wald, nun wurden diese goldenen Schmuckstücke aus der Spätantike als "Barbarenschatz" auf einer Pressekonferenz gezeigt. (Foto: Torsten Silz/dpa)

Das wäre der Moment gewesen, die Generaldirektion Kulturelles Erbe beim Landesarchiv in Speyer anzurufen - der Ruhm des Finders wäre ihm gewiss gewesen. Denn rechtlich ist die Angelegenheit klar: Was in rheinland-pfälzischem Boden liegt und von "besonderer wissenschaftlicher Bedeutung" ist, das gehört dem Land. Der Finder, so heißt es im Denkmalschutzgesetz, "soll im Rahmen der verfügbaren Mittel des Landeshaushalts eine Belohnung erhalten".

Benjamin Czerny hat nicht angerufen. Jedenfalls nicht gleich. Er hat den Schatz nach Hause getragen und später bei einem Bekannten versteckt, angeblich, um ihn vor Dieben in Sicherheit zu bringen - weil er durch regelmäßige Präsentationen seiner Funde auf Youtube in der Szene als Schatzsucher bekannt sei. Videos, die auch die Polizei kannte: Sie durchsuchte im September 2013 seine Wohnung, ohne Erfolg. Mitte Dezember 2013 präsentierte Czerny einer Archäologin des Landesarchivs einige seiner Funde - nur der Barbarenschatz war nicht dabei. Ob er sonst nichts mehr habe, frage sie ihn. Nur Mittelalterschrott, soll er entgegnet haben.

Benjamin Czerny, 24 Jahre alt, auch "Sonden-Bennie" genannt, hat 2013 einen Schatz aus der Spätantike im Wald gefunden. Nun hat er ziemlich großen Ärger - wegen Unterschlagung. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Und dann ging alles ganz schnell. Kurz vor Weihnachten schreckte eine Razzia Czerny bei seinen Freunden auf, die Polizei hatte dort Fotos des Barbarenschatzes gefunden. Noch am selben Abend rief er die Archäologin an: Er wolle wieder ein Guter werden und mit den Archäologen zusammenarbeiten - so gab die Frau vom Denkmalschutz das Gespräch wider. Und er habe etwas ganz Tolles. "Da werden Ihnen die Augen rausfallen."

Rechtlich befinden sich die Sondengänger in einer Grauzone. Man darf etwas finden, man darf es aber nicht behalten. Früher galt hier die "Hadrianische Teilung", eingeführt von Kaiser Hadrian im 2. Jahrhundert und bis heute im Bürgerlichen Gesetzbuch enthalten: Die Hälfte steht dem Finder zu, die andere Hälfte dem Grundstückseigentümer. Nur haben - bis auf Bayern - inzwischen alle Bundesländer das "Schatzregal" eingeführt. Dieses ist in den Detektor-Foren im Internet ungefähr so beliebt wie die Nachkriegsenteignungen in der Sowjetischen Besatzungszone bei den preußischen Junkern. Historisch wichtige Funde gehören dem Staat, auch wenn der Staat sie ohne den Eifer der privaten "Sondler" nie gefunden hätte. Und wenn der Finder seinen Schatz zu lange behält, kann er sich wegen Unterschlagung strafbar machen. Jedenfalls dann, wenn die Umstände darauf hindeuten, dass er ihn behalten oder verkaufen will. Czerny hätte den Schatz spätestens beim Termin mit der Archäologin vom Denkmalschutz herausgeben müssen, beschied das Gericht. Mit seiner Lüge habe er die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten.

Dass das Verhältnis zwischen "Sondlern" und Archäologen eher angespannt ist, liegt aber nicht nur an Raubgräbern, die ihre Schätze verscherbeln; es gebe eine konspirative Szene, die sich in nicht öffentlich zugänglichen Foren austausche, sagte ein auf Raubgrabungen spezialisierter Kommissar in der Verhandlung. Fachleuten sind die Privatgrabungen vor allem deshalb ein Dorn im Auge, weil dadurch meist der Fundort zerstört wird. "Eine einzelne, gut dokumentierte Scherbe kann mehr erzählen als 50 Goldmünzen, die nicht dokumentiert sind", sagte eine Archäologin vor Gericht. Andererseits leiden die Ämter oft unter Personalknappheit. In Ländern wie Baden-Württemberg oder Brandenburg hat man deshalb verstärkt begonnen, mit den Schatzsuchern zu kooperieren.

Und Czerny? Hat sich erst einmal die Publizität zunutze gemacht, die ihm der Prozess verschafft hat. Er handelt jetzt mit Metalldetektoren, Rucksäcken und Spaten - was man eben für die Schatzsuche so benötigt.

© SZ vom 26.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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