SZ-Serie "Ein Anruf bei":"Wir sitzen hier nicht bei Kerzenschein"

Ortszeit Deutschland - Reise mit Zeit - Teil 2 der Antrittsreise zu Beginn der zweiten Amtszeit - Amtsgeschäfte des Bund

Frank-Walter Steinmeier an seinem Schreibtisch im Hotel am Brühl

(Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen)

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verlegt vorübergehend seinen Amtssitz nach Quedlinburg - in ein Romantikhotel. Ein Anruf bei Inhaberin Claudia Wiese, die das mit dem Ambiente mal erklärt.

Von Violetta Simon

Der Bundespräsident hat erneut seinen Amtssitz verlegt - diesmal nach Quedlinburg in Sachsen-Anhalt, wo Frank-Walter Steinmeier seine zweite "Ortszeit"-Reise verbringt. Bis 12. Mai führt er drei Tage lang vom Hotel am Brühl aus seine Amtsgeschäfte, um sich zu erkundigen, was die Menschen in Ostdeutschland bewegt, und wie sie auf ihr Land schauen. Claudia Wiese, 54, erklärt am Telefon, warum die Unterkunft im Romantikhotel keine Rückschlüsse auf den Gemütszustand von Herrn Steinmeier zulässt.

SZ: Wie fühlen Sie sich gerade, als Inhaberin des offiziellen Amtssitzes des Bundespräsidenten?

Claudia Wiese: Die Wahrheit ist: Ich bin schon stolz. Dass er sich für Quedlinburg entschieden hat, freut uns sehr. Eine Ehre auch für uns, mehr geht ja quasi nicht an Amtsgeschäften im Hotel.

Was, glauben Sie, macht Ihr Hotel zu einem geeigneten Amtssitz?

Unter anderem, dass wir gegenüber dem Hotel eine Villa haben und Herrn Steinmeier somit ein eigenes Gebäude zur Verfügung stellen können. Nicht, dass er das so wollte. Aber die Sicherheitsmaßnahmen sind sehr streng, und ein separates Haus kann besser bewacht werden. Ich habe es vor zwei Jahren gekauft, in erster Linie für Hochzeiten, Events oder Tagungen. Unten gibt es mehrere Räume, in denen die Veranstaltungen stattfinden, oben wohnt er.

Dann nächtigt er quasi in der Honeymoon-Suite?

Sie werden lachen, aber tatsächlich ist Herr Steinmeier der allererste Übernachtungsgast dort! Wer hätte das gedacht, ausgerechnet der Bundespräsident - schon ein tolles Gefühl. Allerdings wurde das Ambiente in der Villa reduziert, es ist jetzt eher dezent und zurückhaltend. Das Bundespräsidialamt hatte im Vorfeld darauf hingewiesen, dass eine gewisse Bodenständigkeit gewünscht ist. Wir haben dann erklärt, was das Haus alles durchgemacht hat: teilenteignet im Dritten Reich, von den Russen als Offizierskaserne genutzt, später zur Poliklinik umfunktioniert. Dass es bis heute erhalten blieb, sehe ich als Symbol für das, was die Quedlinburger erlebt haben.

SZ-Serie "Ein Anruf bei": Claudia Wiese, 54, ist die Inhaberin des Hotels am Brühl in zweiter Generation. 2013 hat sie das Haus von ihrer Mutter übernommen und führt es gemeinsam mit ihrem Mann. Für das Gespräch hat sie sich ins Auto gesetzt, wegen der Ruhe - und weil der Empfang besser ist: "Wissen Sie, unser Haus hat sehr dicke Mauern."

Claudia Wiese, 54, ist die Inhaberin des Hotels am Brühl in zweiter Generation. 2013 hat sie das Haus von ihrer Mutter übernommen und führt es gemeinsam mit ihrem Mann. Für das Gespräch hat sie sich ins Auto gesetzt, wegen der Ruhe - und weil der Empfang besser ist: "Wissen Sie, unser Haus hat sehr dicke Mauern."

(Foto: Bernd Meißner/privat)

Der Bundespräsident im Romantikhotel - schon ein bisschen irritierend, finden Sie nicht?

Ich versichere Ihnen: Wir sitzen hier nicht bei Kerzenschein und lassen die Welt an uns vorüberziehen. Der Begriff "Romantikhotel" ist ein reines Qualitätsmerkmal. Er bedeutet, dass das Hotel persönlich von Inhabern geführt wird, dass es sich in einem historischen Gebäude befindet, und dass Küche und Weinkeller ein gewisses Niveau erfüllen. In Deutschland gibt es um die 100 Hotels dieser Kategorie, was keinerlei Rückschlüsse auf Herrn Steinmeiers Gemütszustand zulässt.

Haben Sie sich gewundert, dass Steinmeier seinen Amtssitz gleich in Ihr Hotel verlegt, statt dort, sagen wir, zu residieren?

Ich gehe davon aus, dass der Amtssitz grundsätzlich dort ist, wohin der Bundespräsident auf Reisen geht. Er nimmt sein Amt ja mit, oder nicht?

Das klingt absolut einleuchtend. Offenbar ist das aber nur der Fall, wenn er an einem Aufenthaltsort auch seine Amtsgeschäfte ausüben will. Dann stellt man dort einen Schreibtisch für ihn auf und hisst die Standarte des Bundespräsidenten, die sonst an seinem Hauptsitz, Schloss Bellevue, weht.

Ach gucken Sie mal, da hab ich doch was dazugelernt.

Hat Ihr Hotel eigentlich einen Fahnenmast für die Standarte?

Nein, wir haben extra einen gekauft und im Garten vor der Villa eingelassen. Jetzt, wo er schon mal da ist, lassen wir ihn stehen. Vielleicht wollen ja künftig die Brautpaare eine Fahne hissen.

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