Kaiserin Elisabeth von Österreich, gemeinhin bekannt als Sisi, hatte ein gespaltenes Verhältnis zur Fotografie. So hegte sie eine Abneigung dagegen, selbst abgelichtet zu werden. Einmal lehnte sie eine Röntgenaufnahme mit der Begründung ab: "Ich lasse mich nur sehr ungern fotografieren. Jedes Mal, wenn ich eine Fotografie habe machen lassen, hatte ich Unglück." Ihr letztes Fotoporträt entstand 1870, als die Kaiserin 33 Jahre alt war. Alle danach veröffentlichten Fotos waren retuschierte Varianten dieses Bildes. Das trug ihr Kritik ein - das Volk erwartete, dass Monarchen Präsenz zeigten.
Zugleich hegte Elisabeth aber eine große Faszination für Fotos, die nicht zufällig sie selbst abbildeten. Im Jahre 1862 schrieb sie ihrem Schwager, Erzherzog Ludwig Viktor, aus Venedig, sie lege sich "ein Schönheiten-Album an" und sammele nun "Photographien, nur weibliche, dazu." Sie bat den Erzherzog: "Was Du für hübsche Gesichter auftreiben kannst beim Angerer und anderen Photographen, bitte ich Dich mir zu schicken." Ganz offiziell bat sie auch den Außenminister Bernhard von Rechberg, Ähnliches in Konstantinopel, Sankt Petersburg, Paris, London und Berlin zu veranlassen. Besonderen Wert, so schrieb Rechberg an die österreichischen Botschafter, lege die allergnädigste Majestät auf "orientalische Schönheiten, Photographien schöner Frauen aus der Haremswelt".
Achtzehn der so gefüllten Fotoalben befinden sich seit 1994 in der Sammlung des Kölner Museums Ludwig. Nachdem die in braunes Leder gebundenen, mit Schlössern versehenen und manchmal mit Halbedelsteinen geschmückten Bände 1978 als Teil der kaiserlichen Bibliothek in München versteigert worden waren, gelangten sie schließlich in den Besitz Robert Lebecks. Der Sammler und Fotograf hatte ein enges Verhältnis zu Romy Schneider, die ihre Rolle in den "Sissi"-Filmen stets als Bürde empfunden hatte. Dennoch stellt auch das Kölner Museum, das die Alben jetzt unter dem Titel "Sisi privat" erstmals als eine von Elisabeth kuratierte Fotosammlung betrachtet, eine Verbindung zu den Filmen her, indem es ein Porträt Schneiders als Sisi aus Lebecks Nachlass zeigt.
Die Gewagtheit mancher Aufnahmen ist bemerkenswert
Das Hauptaugenmerk richtet sich aber auf die Sammlung von Carte-Visite-Fotografien, die Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer regelrechten "Kartomanie" führte. Standardisierte Porträts vor gemalten Hintergründen, mit klassischen oder exotischen Requisiten, in edlen Kleidern oder fantasievollen Kostümen. Die Zeit, in denen die Sammlung entstand, war von Reisen Elisabeths nach Venedig, Madeira und Korfu geprägt, einer Flucht aus der Enge des Wiener Hofes. Die Bilder - nicht zuletzt von Schauspielerinnen und Tänzerinnen - scheinen ihr als Orientierung für ihre eigene Selbstinszenierung jenseits der vorgeschriebenen Rolle als Kaiserin gedient zu haben.
Von den 18 Alben mit um die 2000 Bildern sind drei ausschließlich den "Schönheiten" gewidmet. Dabei ging es Sisi sicher weniger um den Stand der dargestellten Damen, sondern um verschiedene Auffassungen des Frauseins und der Präsentation in einer Welt, in der eine strenge Konvention das meiste regelte. Dabei fällt auf, dass sich das Schönheitsideal gewandelt hat - so sieht man kaum hohe Wangenknochen, sondern vor allem ebenmäßig runde Gesichter. Aber auch die Gewagtheit mancher Aufnahmen ist bemerkenswert. Vor allem die Bilder, die der österreichische Botschafter Richard von Metternich aus Frankreich schickte: Pariser Tänzerinnen, Bühnenstars, in für damalige Verhältnisse extrem erotischen Posen.
Vielleicht sind diese Bilder einfach ein Beleg für das Interesse Sisis an der Bühne. Möglicherweise gehen sie aber auch einfach auf die Frau des Botschafters, Pauline, zurück, die als besonders attraktiv sowie in Sachen Mode für die Wiener Gesellschaft als tonangebend galt, und die diese Bilder als eine Art Provokation übersandte. Sie war eine Intimfeindin der Kaiserin. In einem Gedicht, das diese über Pauline von Metternich schrieb, heißt es: "Ihr Antlitz, wie soll ich's beschreiben?/ Als würden hundert Affen drin/ Ihr tolles Wesen höhnend treiben,/ So war's, als es vor mir erschien." Elisabeth sammelte also nicht nur Schönheiten - sie spottete bisweilen auch giftig über sie.