Alpen:Fortuna-Spitze statt Schwalbenwand?

Feature Training mit Bergpanorama Oesterreich Maria Alm 18 07 2019 Fussball Fortuna Düsseldor

Schnitzel, Weißbier und Gipfel-Träumereien: Für die Fortuna-Fans ist das Trainingslager in Maria Alm in Österreich eine super Sache.

(Foto: imago images / Hartenfelser)

Fans von Fortuna Düsseldorf würden gerne einen Berg in Österreich umbenennen - zu Ehren ihres Vereins. Die Einheimischen sind nicht restlos begeistert.

Von Titus Arnu

Fortuna Düsseldorf zählt nicht zu den Spitzenmannschaften des europäischen Fußballs. Und das Maishofner Kreuz an der Schwalbenwand, ein unscheinbarer Nebengipfel im Salzburger Land, zählt nicht zu den höchsten Bergen der Alpen. Der Aufstieg zu diesem schönen Aussichtspunkt wird in Wanderführern als einfach und unproblematisch beschrieben. Der Aufstieg von Fortuna Düsseldorf an die Spitze der Bundesliga-Tabelle erscheint dagegen wie eine Expedition auf den Mount Everest. Dennoch haben Fußballklub und Berggipfel etwas gemeinsam: die Zahl 1895.

Auf Landkarten ist beim Maishofner Kreuz die Höhenangabe 1895 Meter zu lesen. Fortuna Düsseldorf wurde im Jahr 1895 gegründet. Die Profifußballer aus Düsseldorf kommen seit zehn Jahren zum Sommer-Trainingslager nach Maria Alm, wohnen im Hotel Eder und üben auf dem Dorf-Sportplatz für die nächste Bundesliga-Saison. Einige Hundert treue Fans reisen jedes Mal mit an, um die Mannschaft beim Schwitzen aus der Nähe zu bestaunen und die Annehmlichkeiten der Gegend zu genießen: Schnitzel, Weißbier, Apfelstrudel. Beim Blick auf die Wanderkarte stach aufmerksamen Fans ins Auge, dass ein Gipfel mit dem Gründungsjahr der Fortuna beschriftet war. Was für ein Glück! Eine Idee war geboren: Wäre es nicht super, das Maishofner Kreuz in "Fortuna-Höhe" umzubenennen?

Eine steile Idee, finden die Fortuna-Fans. Schmarrn, finden die meisten Einheimischen. Die Taufe eines Bundesliga-Berges im Salzburger Land kommt aus Sicht von Lokalpolitikern, Tourismusexperten und Alpenverein eher nicht infrage. "Eine Umbenennung des Maishofner Kreuzes liegt sowieso nicht in der Macht der Gemeinde, weil der Punkt knapp auf dem Gebiet der Nachbargemeinde liegt", sagt Josef Schwaiger, Tourismus-Obmann des Orts und Hotelier. Düsseldorf-Fans hatten ihm den Vorschlag mündlich unterbreitet. "Es ist eine charmante Idee. Aber wir sehen irgendwo Grenzen", findet Schwaiger. "Wir machen viel für den Tourismus, aber es ist uns sehr wichtig, dass wir mit unserer Identität haushalten und auch das Heimische bewahren."

Wegen Obama heißt der Denali wieder Denali

Die Umbenennung von Gipfeln ist generell möglich, aber nicht einfach herbeizuführen. Es sei denn, es wird von höchster Ebene angeordnet. Der höchste Gipfel der Schweiz, die 4634 Meter hohe Dufourspitze im Monte-Rosa-Massiv, wurde ursprünglich Gornerhorn genannt und im Jahr 1863 vom Bundesrat zu Ehren des Schweizer Generals und Kartografen Guillaume-Henri Dufour umbenannt.

Der Denali, mit 6190 Metern die höchste Erhebung Nordamerikas, hieß bis 2015 offiziell Mount McKinley, zu Ehren eines ermordeten US-Präsidenten. Barack Obama ordnete in seiner zweiten Amtszeit an, dass der Berg offiziell wieder Denali heißen soll, das ist der traditionelle Name des Berges, so wurde er vom Indianerstamm Koyukon genannt.

Der Heigelkopf bei Bad Tölz hieß während der Nazi-Zeit Hitler-Berg, nach 1945 wurde die Bezeichnung von den Landkarten getilgt. Die 2238 Meter hohe Kellenspitze im Tannheimer Tal hieß früher Metzenarsch und bekam schon vor 150 Jahren einen höflicheren Namen verpasst. Bei manchen Bergen wie dem Kotzen (1766 Meter, Bayern), Misthaufen (2436 Meter, Vorarlberg) und Bscheißer (2000 Meter, Allgäu) wünscht man sich eine ähnlich gnädige Neubenennung. Und wenn der Eyjafjallajökull (1651 Meter, Island) endlich auch für Nichtisländer aussprechbar wäre, würde sich wohl niemand beschweren. Ähnliches gilt für den Taumata­whakatangihanga­koauau­o­tamatea­turi­pukaka­piki­maunga­horo­nuku­pokai­whenua­ki­tana­tahu, einen 305 Meter hohen Hügel in Neuseeland.

Wenn Geld ins Spiel kommt, geht die Umbenennung von Bergen manchmal richtig zackig über die Bühne. Dem österreichischen Wursthersteller Wiesbauer gelang es 2007, den 2767 Meter hohen Mullwitzkogel in der Großvenediger-Gruppe, kein Witz, in Wiesbauerspitze umzutaufen. Die Firma hat ihren Sitz in Wien, sie sponsert seit Jahren den Radsport, zu ihrem Sortiment gehört auch eine "Bergsteigerwurst". Der Mullwitzkogel war Alpinisten lange Jahre ziemlich wurscht, der Alpenvereinsführer maß ihm in früheren Auflagen "keinerlei Bedeutung für Bergsteiger" bei. Seit der Gipfel von der Wurstfabrik gesponsert wird, bekommt er auch überregional Aufmerksamkeit, wenn auch nicht immer auf respektvolle Art: Der mächtige Mullwitzkogel heißt nun im Volksmund Wurstberg oder Wurstspitze.

Die meisten Kartenhersteller sind bei der ursprünglichen Bezeichnung geblieben. Im Laufe der Diskussion um die Rechtmäßigkeit der Umbenennung stellte Karl Weber, Verfassungsexperte der Universität Innsbruck, fest, dass die Namensgebung bei Bergen und Flurnamen zwar nach jahrhundertealter Tradition erfolge, jedoch keiner öffentlich-rechtlichen Beschränkung unterliege. Den Namen des Gipfels kann der jeweilige Eigentümer festlegen. Ein Wurstberg-Schicksal drohte auch dem Großen Kinigat (2689 Meter) und dem Roßkopf (2603 Meter), zwei Gipfeln in Osttirol, die beinahe von der österreichischen Bundesimmobiliengesellschaft verkauft wurden. Für 121 000 Euro erwarb die Firma das Recht, die Berge zu Werbezwecken umzubenennen - in "Ashampoo 1" und "Ashampoo 2". Die Behörden machten dann lieber doch einen Rückzieher.

Fortuna ist wirtschaflich wichtiger Faktor

In Maria Alm könnte durch den Namen alleine wohl kaum ein Flurschaden entstehen, denn Fortuna-Spitze klingt durchaus griffiger und heroischer als das schlichte Maishofner Kreuz. Wirtschaftlich gesehen ist die Fortuna in der Region längst ein wichtiger Faktor. Wenn der Verein in Maria Alm trainiert, kommen bis zu 500 Fans mit, um dort Urlaub zu machen. Und es ist nicht so, dass die Gemeinde sonst Berührungsängste mit Sponsoren und Umwidmungen von Berggebieten hätte: Ein deutscher Brausehersteller sponsert eine gelbe Gondelbahn namens Sinalco-Bahn, und der Hausberg von Natrun wird seit Kurzem recht märchenhaft als "Prinzenberg" vermarktet - was viele Einheimische ärgert.

Um den Fortuna-Fans entgegenzukommen, hat die Gemeinde immerhin 40 000 Wanderkarten drucken lassen, auf denen bei der Höhenmarkierung 1895 die Bezeichnung "Fortuna-Höhe" samt Vereinslogo zu sehen ist. Und im vergangenen Sommer veranstaltete Tourismus-Obmann Sepp Schwaiger eine Fan-Wanderung zum symbolisch so hoch angesiedelten Ort. Mit dabei waren 20 glühende Fans, Fortunas Vorstandsvorsitzender Thomas Röttgermann und Marketingvorstand Christian Koke. "Am Fortuna-Gipfel erhielten die Teilnehmer eine Wandernadel mit der Signatur ,1895 Meter. Fortuna-Höhe Hochkönig'", berichtet die offizielle Fortuna-Website www.f95.de. Die Fans rollten Fortuna-Fahnen aus und schossen ein Gruppenfoto.

Dass Fortuna Düsseldorf sich bis zum Saisonende bis zur Bundesligaspitze hocharbeitet und kommende Saison in der Champions League spielt, gilt als eher unwahrscheinlich - man muss auch kein Sportexperte sein, um darauf zu tippen, dass die Schwalbenwand die Schwalbenwand bleibt. Der Gemeinderat von Maria Alm hat sich bereits gegen die Umbenennung ausgesprochen. Sepp Schwaiger bewundert den Elan und das Traditionsbewusstsein der Düsseldorfer Fans, aber er setzt langfristig dann doch lieber auf den unverrückbaren Wert der Gebirgsregion um ihn herum: "Die Berge waren schon immer da, wer weiß, wie lange Fortuna Düsseldorf uns noch erhalten bleibt."

Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivTürkgücü München
:"Ich weiß, dass wir in München stören"

Kann ein Münchner Klub seine Heimspiele auch im Ruhrgebiet spielen? Hasan Kivran, Präsident und Investor bei Türkgücü München, spricht über hohe Ziele und die Idee, Spiele im Westen auszutragen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: