Süddeutsche Zeitung

Foodwatch-Report zu Lebensmittelkontrollen:Von Maden und Mäusen

Schimmel und Dreck in Kühlschränken, mumifizierte Ratten auf dem Boden: Für die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat das System der Lebensmittelkontrollen in Deutschland "versagt". Verbraucher haben kaum eine Chance zu erfahren, in welchen Betrieben die eklatanten Hygienemängel festgestellt wurden.

Schimmel und Dreck in Kühlschränken, mumifizierte Ratten auf dem Boden: Für die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat das System der Lebensmittelkontrollen in Deutschland "versagt". Verbraucher haben kaum eine Chance zu erfahren, in welchen Betrieben die eklatanten Hygienemängel festgestellt wurden. "Von Maden und Mäusen" heißt der Report der Organisation Foodwatch, der an diesem Donnerstag veröffentlicht wurde. Auf 100 Seiten listen die Verbraucherschützer darin auf, warum aus ihrer Sicht die Lebensmittelkontrollen in Deutschland unzureichend sind. Ob Gammelfleisch, Betrug mit Analogkäse, Pferdefleisch in Fertigprodukten oder, wie in diesem Fall, eine mumifizierte Ratte in einem lebensmittelverarbeitenden Betrieb: Häufig reagieren die Behörden nach Meinung von Foodwatch nicht entschlossen genug.

Aufnahmen von Lebensmittelkontrolleuren, die Foodwatch zugespielt wurden, zeugen von teilweise erschreckenden hygienischen Zuständen in Betrieben. Beispiel: völlig verschmutzte und von Schimmel befallene Eierbehälter.

Roher Lachs darf bei höchstens zwei Grad Celsius gelagert werden. In der hier überprüften Probe verbreiten sich potenziell gesundheitsschädliche Keime ungestört bei 17,5 Grad Celsius. Wird der Fisch roh verzehrt, zum Beispiel als Sushi, besteht ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko.

Dieser Kühlschrank ist nach dem Auslaufen von Lebensmitteln offenbar nicht gereinigt worden. Innenraum, Tür, Scharniere und Dichtungen des Kühlschranks sind schmutzverkrustet.

Auch diese Eiswürfelmaschine ist völlig verdreckt - über das Eis können Bakterien auch in Getränke gelangen. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BVL) berichtete vergangenes Jahr, dass in 15 Prozent der untersuchten Eiswürfel schädliche coliforme Keime nachgewiesen werden konnten.

In dieser Fritteuse werden Krapfen in pechschwarzem Flüssigfett zubereitet. Das ist nicht nur ekelhaft, sondern auch potenziell krebserregend. Seit Jahren wird Foodwatch zufolge jeder vierte kontrollierte Betrieb beanstandet - ohne dass sich an dieser traurigen Quote irgendetwas ändert. "Die Politik schützt die Schmuddelbetriebe in Deutschland besser als die Verbraucher", so das Resumee von Foodwatch-Vizechef Matthias Wolfschmidt.

"Verbraucher müssen endlich erfahren, wer die Gammelfleisch-Händler oder Pferdefleisch-Panscher sind", sagt Wolfschmidt. Ansonsten fehle den Betrieben der Anreiz, sich an die Gesetze zu halten. Der nächste Lebensmittelskandal sei dann nur eine Frage der Zeit. (Im Bild: Eine völlig verklebte und verdreckte Teigmaschine.)

Bisher haben Verbraucher auch auf Nachfrage wenig Chancen, von den Behörden schnell, einfach und kostengünstig über das Ergebnis von Lebensmittelkontrollen informiert zu werden - so wie es das sogenannte Verbraucherinformationsgesetz eigentlich vorsieht. Foodwatch stellte zu Testzwecken 54 Anfragen in Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Organisation wollte wissen, in welchen Betrieben die behördlichen Kontrollen Probleme bei der Hygiene oder Beanstandungen bei den Lebensmitteln ergeben hatten. Allein für die Herausgabe der als gesundheitsschädlich eingestuften Proben aus einem Jahr verlangten die niedersächsischen Behörden zum Beispiel 10.000 Euro. Die Stadt Essen wollte für 140 beanstandete Fleischproben fast 20.000 Euro haben. Nur in sieben Fällen sei vollständig und kostenfrei informiert worden. Weil viele Betriebe gegen eine Veröffentlichung Klage eingereicht hätten, lägen in vielen Fällen gar keine Informationen vor.

Häufigster Beanstandungsgrund bei Kontrollen sind Verstöße gegen Hygienevorschriften. Auch in dieser Pfanne sollten besser keine Lebensmittel zubereitet werden. Foodwatch fordert, neben drastischen Strafen für die Betriebe, die automatische Veröffentlichung aller Ergebnisse - "im Internet und an der Tür eines jeden Betriebes, Supermarktes oder Restaurants", wie Sprecher Wolfschmidt unterstreicht.

Andere Länder haben längst gezeigt, wie das möglich wäre: In Dänemark oder in der kanadischen Großstadt Toronto beispielsweise werden die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen veröffentlicht - mit Erfolg: Seither sei dort die Quote der Beanstandungen deutlich zurückgegangen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1842474
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/olkl
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.