Süddeutsche Zeitung

Flutkatastrophe in Pakistan:Deutsche Hilfe rollt an

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"Das Blatt hat sich gewendet": Die Spendenbereitschaft der Deutschen wächst langsam, die Weltbank hat Pakistan einen Millionenkredit zugesagt. Dennoch: Die Hilfe erreicht die Flutopfer nur schleppend - im Katastrophengebiet kommt es zu gewaltsamen Protesten.

Lange haben die Deutschen gezögert, nun wächst die Spendenbereitschaft für Pakistan nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Seit Montag habe sich das Blatt gewendet, sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Die anfänglichen Schwierigkeiten führte Seiters auf die Vielzahl von Katastrophen in diesem Jahr zurück - wie das Erdbeben in Haiti im Januar oder die Großbrände in Russland.

Seiters sagte, ebenso wie in Haiti sei die Regierung in Islamabad ohne weltweite Hilfe bei der Bewältigung der Katastrophe überfordert. Es gebe jedoch in Pakistan seit den achtziger Jahren eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Roten Kreuz und dem Roten Halbmond. Die gemeinsame Arbeit laufe gut und vertrauensvoll und es habe noch nie Unterschlagungen gegeben.

"Wir können für uns und den Roten Halbmond garantieren, dass das Geld bei den Opfern ankommt", betonte Seiters. Zu den Projekten des DRK gehörten die Ausbildung von Ersthelfern und die Einrichtung von mobilen Gesundheitsstationen. Am Dienstag fliegt das DRK 18 Tonnen Hilfsgüter von Berlin aus ins Notstandsgebiet.

Auch Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) betonte, seiner Überzeugung nach versickere staatliche Hochwasserhilfe nicht in dunklen Kanälen. Deutschland arbeite seit vielen Jahren bei derartigen Katastrophen mit dem UN-Welternährungsprogramm und mit eigenen staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen zusammen, sagte er in einem Interview mit dem Südwestrundfunk (SWR). "Wenn jemand vor Ort seit langem aktiv ist, dann kennt der nicht nur die Gefahren eines Landes, sondern auch die Strukturen, die zu nutzen sind, damit die Hilfe da hinkommt, wo sie hingehört", sagte Niebel. Partner der Bundesregierung in Pakistan seien zum Beispiel die Hilfsorganisationen Care International und Misereor.

Die Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, rief nachdrücklich zu Spenden für die Flutopfer auf. Es sei eine "humanitäre Pflicht, Pakistan zu helfen", sagte sie der Berliner Zeitung. Nach Dieckmanns Worten steigt das Spendenaufkommen in Deutschland inzwischen - aber nur langsam. Die Welthungerhilfe sei "erst bei einer Summe von 250.000 Euro angelangt, was im Vergleich zum Erdbeben in Haiti wenig ist".

Regierungssprecher Seibert bedauerte in einer persönlichen Einlassung, dass die Spendenbereitschaft in Deutschland noch nicht so groß sei wie jüngst bei Haiti. Vorwürfe, die finanzielle Unterstützung komme nicht bei den Hilfsorganisationen an, wies die Bundesregierung zurück.Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) rief die Bevölkerung zu einer noch größeren Spendenbereitschaft angesichts der "beispiellosen Katastrophe" in Pakistan auf. Sofern die Spenden an eine "seriöse Hilfsorganisation" gerichtet würden, sei sicher, dass sie die Opfer erreichten, sagte er der Bild-Zeitung.

"Wir brauchen Hilfe!"

Derweil stellt die Weltbank Pakistan einen Millionenkredit zur Verfügung. Die Regierung in Islamabad bekomme die angefragten 900 Millionen Dollar (703 Millionen Euro), teilte die Weltbank mit. Der ökonomische Schaden durch die Flut ist dabei noch gar nicht absehbar. Die pakistanischen Behörden gehen von mindestens 1500 Toten, 20 Millionen Obdachlosen und Schäden in Milliardenhöhe aus. Der Wiederaufbau könnte bis zu 15 Milliarden Dollar kosten, schätzte Pakistans Botschafter in Großbritannien.

Inzwischen gibt es im Land gewaltsame Proteste von Flutopfern, die sich von der Regierung im Stich gelassen fühlen. Der Nachrichtensender Dawn News meldete, drei Menschen seien am Montag verletzt worden, als eine aufgebrachte Menschenmenge einen Hilfskonvoi im Distrikt Rahim Yarkhan in der zentralpakistanischen Provinz Punjab mit Steinen bewarf. In der Region Kot Addu im Punjab skandierten Demonstranten: "Wir brauchen Hilfe!" In der südlichen Provinz Sindh blockierten Flutopfer eine Straße.

Zunehmend kritisch ist die Lage in der Stadt Jacobabad im Süden des Landes. "Wir arbeiten hart daran, das Wasser von Jacobabad wegzulenken", sagte der pakistanische Sportminister. Knapp ein Viertel der zwischen 300.000 und 400.000 Einwohner der Stadt seien in Sicherheit gebracht worden. Die Umgebung von Jacobabad wurde bereits überflutet. Die Behörden hatten schon am Freitag eine Flutwarnung für die Stadt herausgegeben. Zahlreiche Bewohner weigerten sich aber, ihre Häuser und ihren Besitz zurückzulassen.

Nach Angaben der Weltbank dürften die größten Flutschäden an Gebäuden, Straßen, Bewässerungssystemen und in der Landwirtschaft entstanden sein. Schätzungen zufolge seien über 720.000 Häuser durch das Hochwasser zerstört oder beschädigt worden. Der 900 Millionen-Euro-Kredit soll aus dem Fonds der Weltbank-Tochter Ida (International Development Association) für die ärmsten Länder kommen.

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dpa/APN/AFP/Reuters
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