Flutkatastrophe in China:70.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde

Noch hält der Drei-Schluchten-Damm am Jangtsekiang den gewaltigen Wassermassen stand. Dennoch erlebt China die schlimmste Flut seit zehn Jahren - bislang starben über 700 Menschen.

Henrik Bork, Peking

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Drei-Schluchten-Damm am Oberlauf des Jangtsekiang

Es sind Bilder wie aus einem Katastrophenfilm von Roland Emmerich: Der Drei-Schluchten-Damm am Oberlauf des Jangtsekiang stemmt sich gerade gegen die schlimmsten Fluten seit seiner Fertigstellung. Bei Überschwemmungen, wie China sie seit einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen hat, sind bislang bereits 701 Menschen ums Leben gekommen. 347 weitere Menschen sind von den Wassermassen weggerissen oder unter Erdrutschen begraben worden und gelten als vermisst. Der Damm selbst hält dem gewaltigen Druck bislang stand, obwohl er Anfang dieser Woche mit 70000 Kubikmetern pro Sekunde Wassermassen in Rekordhöhe bremsen musste.

Flutkontrolle war eines der Hauptargumente für den auch in China stark umstrittenen Damm, dessen Dimensionen monumental sind: 150 Meter ist er hoch und annähernd zwei Kilometer lang. Schätzungen gehen von Kosten von ungerechnet 60 Milliarden Euro für das Bauwerk aus. Inwiefern der Drei-Schluchten-Damm nun zur Mäßigung der diesjährigen Flutkatastrophe - und zur Rettung von Menschenleben - beigetragen hat, ist derzeit in China Gegenstand einer heftigen Debatte. Kader der Kommunistischen Partei Chinas sind bemüht, die aktuellen Verdienste des Dammes herauszustreichen. Umweltschützer und Teilnehmer einer Online-Umfrage hingegen zeigen sich skeptisch.

A dog swims at a park flooded by the swollen Yangtze River in Wuhan

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Gefluteter Park in Wuhan, Provinz Hubei

Befürworter des Dammes vergleichen die diesjährige Flutkatastrophe mit der des Jahres 1998, als in ganz China offiziellen Angaben zufolge 4150 Menschen ums Leben kamen. Die Wassermassen am Jangtse-Strom hätten damals ein Maximum von 50000 Kubikmetern pro Sekunde erreicht, also 20000 Kubikmeter weniger als diesmal. Trotzdem seien die Folgen der Fluten relativ geringer, argumentieren die Kader. "Im Vergleich zu 1998 macht der Drei-Schluchten-Damm den größten Unterschied. Ohne ihn hätten wir Tausende Soldaten und Retter für den Kampf gegen die Flut gebraucht", zitierte die amtlichen Nachrichtenagentur Yuan Jie einen Angestellten des Dammbetreibers "China Three Gorges Corporation".

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Soldaten am Deich von Changzhou, Provinz Jianxy

Umweltschützer und Dammgegner geben zu, dass der Damm einen Beitrag leiste, schätzen ihn jedoch geringer ein. "Der Drei-Schluchten-Damm trägt ein Stück weit zur Flutkontrolle bei, jedoch nicht so stark, wie die Betreiber behaupten", sagte die prominente Dammgegnerin Dai Qing der Süddeutschen Zeitung. Der Damm, einer von insgesamt 29 seit 1998 neu gebauten Stauwehren am Oberlauf des Jangtse und an seinen Zuflüssen, sei nur für "etwa ein Zehntel" der Flutkontrolle verantwortlich, sagte Dai Qing. Die Autorin hatte als eine der Ersten den Widerstand gegen das Bauwerk organisiert und war für ihren Aktionismus vorübergehend im Gefängnis.

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Rettungskräfte und Evakuierte in Jianong, Provinz Sichuan

Trotz der offiziellen Lobeshymnen für den Damm bleiben auch die meisten Chinesen skeptisch. Auf die im Internet gestellte Frage, wie viel der Drei-Schluchten-Damm zur Flutkontrolle beitrage, antworteten 78 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage des Online-Diensts QQ mit "bu da" - nicht groß. Auch Beamte des chinesischen Ministeriums für Wasserbau widersprachen den Betreibern des Dammes indirekt, indem sie den Einfluss der Drei Schluchten auf die Flutkontrolle öffentlich relativierten.

Viele Todesopfer hat es in diesem Jahr offenbar unter anderem an den Zuflüssen des Jangtse gegeben, von denen einige direkt in den Stausee münden. Das chinesische Staatsfernsehen zeigte dramatische Bilder von in braunen Fluten versinkenden Häusern, auf Dächern um Hilfe rufenden Menschen und Rettern im Großeinsatz. Ob und wie viele Flutdeiche diesmal unterhalb des Drei-Schluchten-Dammes - am Mittel- und Unterlauf des Jangtse - geborsten sind, ist den zensierten Medien in China nicht zu entnehmen.

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Wassermassen am Drei-Schluchten-Damm in Yichang, Provinz Hubei

Der Vergleich der Flutopfer aus dem Jahr 1998 mit denen dieses Sommers sei ohnehin problematisch, wendet die Umweltschützerin Dai Qing ein: "Für den Bau des Drei-Schluchten-Dammes sind ungeheure Geldmittel umgeleitet worden. Ein Zehnjahresplan für den Bau von Deichen ist deshalb aufgegeben worden, und das war ein Grund für die vielen Toten von 1998."

Auch sei ein so riesiges Bauwerk wie der Drei-Schluchten-Damm keinesfalls das beste Mittel zur Flutbekämpfung, sagt Dai Qing. Zur Zeit laufe der Stausee voll mit schlammigem Wasser. Das werde stark zu der gefährlichen Sedimentbildung im Reservoir beitragen. Damit sinke die Wirksamkeit des Stausees als Auffangbecken in kommenden Jahren.

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Überflutete Straße in der Gemeinde Chongqing

Ob mit oder ohne Drei-Schluchten-Damm: Monumentale Fluten wiederholen sich in China mit grausamer Hartnäckigkeit. Sturzbachartige Regenfälle in 15 chinesischen Provinzen haben seit dem 8. Juli das Leben von Millionen Menschen beeinträchtigt und 645000 Häuser zum Einsturz gebracht, berichteten chinesische Medien. Die chinesische Reisernte könnte wegen der Überschwemmungen und anschließender Ungezieferplagen um bis zu zehn Prozent niedriger ausfallen, wird geschätzt. Und gerade ist auch noch der Taifun Chanthu auf dem chinesischen Festland eingefallen, der weitere starke Regenfälle bringen wird.

© SZ vom 23.07.2010/ebc/grc
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