Flutkatastrophe:Entspannung in den Hochwassergebieten

Die Lage in den Hochwassergebieten am Oberrhein hat sich etwas entspannt. Doch das Umweltministerium warnt: Die Unwetter sollen nur die Vorboten von viel größeren Katastrophen sein. Ein komplettes Umdenken sei erforderlich.

Das Hochwasser am Oberrhein bei Karlsruhe entwickelt sich weniger schlimm als erwartet - Nach Angaben der baden-württembergischen Hochwasservorhersagezentrale (HVZ) wird sich das hundertjährige Hochwasser im Raum Basel stromab immer weiter abschwächen.

Hochwasser am Rhein

Unter Wasser: der Garten eines Restaurants bei Karlsruhe.

(Foto: Foto: Getty)

Der für Freitagmittag in Karlsruhe erwartete Scheitel wird voraussichtlich als zehnjähriges Hochwasser ankommen - zunächst hatten Meteorologen Schlimmeres befürchtet.

Der Höchststand am Pegel Maxau bei Karlsruhe werde dann bei etwa 8,40 Meter liegen. Beim Jahrhunderthochwasser von 1999 lag der Pegel dort bei 8,84 Meter. Wegen der entspannten Lage sei es auch nicht nötig, die Polder am Oberrhein in Kehl oder bei Söllingen zu fluten, erklärte die HVZ.

Auch die Münchener Rück, die bei Unwetter-Katastrophen häufig für die Schäden eintreten muss, schätzt die Lage inzwischen weniger dramatisch ein: "Nach derzeitgen Erkenntnissen wird die Flut in Karlsruhe einem sechs bis achtjährigen Ereignis, in Speyer einem drei- bis vierjährigen Ereignis entsprechen", sagte eine Unternehmenssprecherin zu sueddeutsche.de.

Bei den heftigen Unwettern in Nordrhein-Westfalen ist am Donnerstag ein Mensch ums Leben gekommen. In Arnsberg im Hochsauerlandkreis ertrank ein Mann im Keller seines Hauses. Wie die Polizei am Freitag berichtete, wollte der 61-Jährige wegen der anhaltenden Regenfälle in seinem Keller nach dem Rechten sehen und wurde von einströmendem Wasser überrascht. Er konnte nur noch tot geborgen werden.

Bei einem 81-Jährigen, der starb, als er seinen voll gelaufenen Keller mit einer elektrischen Pumpe leeren wollte, geht die Polizei inzwischen von einer natürlichen Todesursache aus. Die Feuerwehr war zuerst davon ausgegangen, dass er an einem Stromschlag starb. Der 81-Jährige aus Mönchengladbach wurde von seiner Familie tot im Keller aufgefunden, in dem das Wasser etwa fußhoch stand.

In Warendorf schlug ein Blitz in zwei Wohnhäuser ein, setzte sie aber nicht in Brand. Weniger Glück hatten die Bewohner zweier Häuser in Detmold und Bielefeld. Blitzschläge entzündeten die Dachstühle. Verletzt wurde aber niemand.

Schiffe sollen bald wieder fahren dürfen

Am Hochrhein zwischen dem Bodensee und Basel kam es zu zahlreichen Überflutungen. Die Schifffahrt wurde im Raum Basel, bei Rheinfelden und bis zum französischen Marckolsheim sowie zwischen Iffezheim und Germersheim in Rheinland-Pfalz eingestellt.

Die Schifffahrt auf dem Oberrhein bei Karlsruhe dürfte nach Einschätzung von Experten noch bis Samstagmittag gesperrt bleiben. Die entscheidende Hochwassermarke von 7,50 Meter am Pegel Maxau werde voraussichtlich erst dann wieder unterschritten, sagte ein Sprecher der Hochwasser-Vorhersage-Zentrale (HVZ) in Karlsruhe am Freitag. Der Höchststand in Maxau werde mit etwa 8,40 Meter für Freitagvormittag erwartet. Damit würde die kritische Marke von 9,18 Meter bei weitem nicht erreicht.

Rheinaufwärts dürfte die Schifffahrt zwischen Rheinfelden und Iffezheim nach Einschätzung der Experten vermutlich bereits am Freitagnachmittag oder- abend wieder freigegeben werden. Dies hänge aber auch davon ab, wie sich die Lage in der Schweiz entwickle, sagte ein Sprecher des Wasser- und Schifffahrtsamtes Freiburg. Das Hochwasser war durch heftige Regenfälle in der Schweiz ausgelöst worden.

Flussabwärts in Mannheim rechnet die Karlsruher Hochwasser-Zentrale nicht damit, dass eine Sperrung nötig werden könnte. Dort werde der Höchststand am Samstagmittag erwartet, sagte der Sprecher. Dann sei zwar von Einschränkungen auszugehen, aber nicht von einer kompletten Sperrung.

400 Feuerwehreinsätze allein im Sauerland

Auch in Nordrhein-Westfalen hielt anhaltender Regen in der Nacht Polizei und Feuerwehr in Atem. An der Autobahn 46 bei Arnsberg geriet in der Nacht ein Hang ins Rutschen und schob sich auf die Fahrbahn. Die Aufräumarbeiten hatten die ganze Nacht gedauert. Wie die Polizei berichtete, konnte die Strecke in Richtung Werl am Freitagmorgen wieder freigegeben werden. Besonders betroffen waren auch der Hochsauerlandkreis und Ostwestfalen. Die Feuerwehr im Sauerland rückte zu rund 400 Einsätzen aus.

In der Schweiz stabilisierte sich die Hochwasserlage am Freitagmorgen. Die Pegelstände der Flüsse und Seen stiegen nicht mehr an, berichtete die chweizer Nachrichtenagentur sda. Auch bei der Bahn normalisierte sich die Lage, wie SBB-Sprecher Jean-Louis Scherz am frühen Freitagmorgen sagte.

Die SBB-Strecke Bern-Freiburg konnte am Abend auf einem Gleis wieder in Betrieb genommen werden. Auch die Gefahr eines Dammbruches in der Nähe des Ortes Döttingen scheint vorerst gebannt zu sein. Die Unwetter waren die heftigsten in der Schweiz seit zwei Jahren.

Bundesumweltministerium: "Hochwasserrisiko wird sich verzehnfachen"

Das Bundesumweltministerium hat indes von einer weiteren massiven Zunahme der Hochwasser-Gefahr in Deutschland gewarnt. Das Hochwasser-Risiko werde sich in absehbarer Zukunft verzehnfachen, sagte der Parlamentarische Staatssekretär Michael Müller der Rheinischen Post.

"Schon in wenigen Jahrzehnten müssen wir durch den Klimawandel davon ausgehen, dass es im Winter etwa 40 Prozent mehr Regenmenge, aber immer weniger Schnee- und Eis-Speicherung gibt, so dass sich die Abflüsse enorm beschleunigen", sagte der SPD-Politiker. Seit der Jahrhundert-Flut an der Elbe vor fünf Jahren hätten die Länder viel zuwenig für den Hochwasserschutz getan.

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