Flugzeugunglück in Madrid:Tragödie an Terminal 4

Bei einem schweren Flugzeugunglück am Madrider Flughafen sind mindestens 153 Menschen ums Leben gekommen, nur wenige überlebten. "Nie habe ich etwas gesehen, was der Hölle so nahe kam", sagte ein Augenzeuge.

Javier Cacéres, Madrid

Die größte Katastrophe der spanischen Zivilluftfahrt seit einem Vierteljahrhundert ereignete sich am Ende der Startbahn Nummer 36 von Madrids neuem Flughafen-Terminal T4. Rosa, eine Augenzeugin, die sich beim Rundfunksender Cadena Ser meldete, suchte nach Worten, um die Geschehnisse begreiflich zu machen.

Flugzeugunglück in Madrid: Spanische Rettungssanitäter kämpfen um das Leben eines der Opfer des Flugzeugunglücks.

Spanische Rettungssanitäter kämpfen um das Leben eines der Opfer des Flugzeugunglücks.

(Foto: Foto: dpa)

Sie war zufällig in der Nähe, schaute hinüber, wie die Flugzeuge landeten und abhoben, als ihr Blick auf die Maschine von Spanair fiel. Einen Knall habe sie gehört, eine Flamme gesehen, und dann sei das geschehen, was sie nie wieder vergessen wird. "Wie ein Blatt, das sich von einem Baum abtrennt", sei die Maschine zu Boden gesunken, "aus vielleicht 200 Fuß Höhe" - um dann in einem Feuerball zu zerschellen. Es war kurz nach 14.45 Uhr. Wenige Stunden später hieß es, es habe in Madrid mindestens 153 Tote gegeben - unter ihnen sollen auch Deutsche sein.

Schon Ende 2006 hatte es eine Katastrophe am neuen T4 gegeben. Damals hatten ETA-Terroristen mit einer Autobombe, die sie im Parkhaus deponiert hatten, den lahmenden Friedensprozess in die Luft gesprengt; zwei ecuadorianische Einwanderer wurden von den Trümmern regelrecht zermalmt. Die Tragödie vom Mittwochnachmittag ist anderer Natur.

Doch Spanien steht unter einem Schock, der ebenso groß ist wie der von jenem Dezembermorgen. 151 Tote - mehr als Spaniens Luftfahrt in den vergangenen zehn Jahren zu verzeichnen hatte, insgesamt. Der letzte vergleichbare Unfall ereignete sich 1985 in der nordspanischen Stadt Bilbao. Damals starben 148 Menschen. Der letzte große Unfall in Madrid liegt zwei Jahre länger zurück. Damals kamen 93 Menschen zu Tode, als ein Aviaco-Flugzeug beim Anflug auf die Startbahn geriet.

Das Fernsehen, das in den letzten Tagen völlig auf Chauvinismus geeicht war und nichts anderes als olympische Erfolge in China zu kennen schien, unterbrach sein Programm. Statt rot-gold-rot trugen die Moderatoren dunkle Accessoires. Sie sprachen zu ewig hilflosen Bildern: Dunkle Rauchschwaden, stumme Zeugen eines rasch unter Kontrolle gebrachten Brandes. Dutzende Rettungswagen, die mit Blaulicht an den Ort des Geschehens eilten.

Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero unterbrach seinen Urlaub im andalusischen Donana, mehrere Minister waren, ihm voraus, an den Ort des Geschehens geeilt. Für ein paar Stunden wurde der Flugverkehr unterbrochen, auf dem Flughafen selbst berichteten Zeugen von chaotischen Zuständen.

Der Sprecher von Spanair, Adolfo Lázaro, bestätigte offiziell, dass 164 Passagiere an Bord gewesen seien, darunter zwei Babys, zudem neun Besatzungsmitglieder. Auch vier Deutsche waren offenbar an Bord. Die SAS-Tochter Spanair ist eine der Partnergesellschaften der Star Alliance, an der sich auch die Lufthansa beteiligt. Sieben Passagiere in Madrid hatten ein Lufthansa-Ticket.

Welche Ursachen der Unfall hatte, war zunächst unklar. Doch fest stand, dass der Pilot einen ersten Abflug abgebrochen hatte, an den Flughafenterminal zurückgekehrt war. Ein technisches Problem hatte er ausgemacht; und er hatte zusammen mit einem Mechaniker einen Test durchgeführt. Die Maschine wurde für tauglich erklärt. In einer Entfernung von einem Kilometer, am Ende der Piste 36, wurde dramatische Gewissheit, dass dies ein fataler Irrtum war. "Die Insel" wird sie genannt, weil sie so weit entfernt liegt wie keine andere.

Experten glauben, dass der Pilot eine womöglich noch größere Tragödie verhindert hat, als er die Schnauze der McDonnell-Douglas 82 in die Höhe riss, bei einer Geschwindigkeit von 300 bis 400 Stundenkilometern. Und doch nicht verhindern konnte, dass die Maschine zwischen zwei Landebahnen aufschlug und dort, lichterloh brennend und zerfetzt, einen Großteil der Passagiere in den Tod riss. "Nie habe ich etwas gesehen, was der Hölle so nahe kam", sagte ein Polizist. "Die Leichen glühten." An den Flughäfen von Gran Canaria und Madrid fanden sich am Abend viele Angehörige ein, viele weinten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: