Süddeutsche Zeitung

Flugzeugunglück in Madrid:Spurensuche nach der Katastrophe

Die verunglückte Spanair-Maschine hatte offenbar Probleme mit einem Messfühler. Forensiker versuchen unterdessen, die Toten zu identifizieren.

Bei der Suche nach der Ursache des Absturzes einer Spanair-Maschine auf dem Flughafen von Madrid gibt es erste Hnweise: Die verunglückte Maschine hatte nach Unternehmensangaben vor ihrem Absturz Probleme mit einem Messfühler. Das Ventil sei beim ersten Startversuch überhitzt gewesen, sagte Firmensprecher Javier Mendoza. Unklar sei jedoch, ob das Problem im Zusammenhang mit dem Absturz steht.

Laut Spanair trat das Problem unterhalb des Cockpits auf. Techniker schalteten den Messfühler daraufhin aus, was dem Unternehmen zufolge üblich ist. Danach wurde das Flugzeug zum Start freigegeben und stürzte in ein Waldstück hinter der Landebahn.

LKA in Pullach

Bei dem bislang größten Flugzeugunglück in Spanien seit 25 Jahren sind 153 Menschen ums Leben gekommen. Unter den Opfern des Flugzeugunglücks von Madrid ist möglicherweise auch eine Familie aus Bayern. Ein Ehepaar und zwei Kinder aus dem Landkreis München standen auf der Passagierliste, bestätigte das Bayerische Landeskriminalamt. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll es sich dabei um eine Familie aus Pullach handeln, den 50-Jährigen Gerd M., seine 38-jährige Frau Claudia und die Söhne Lucas und Niklas, acht und fünf Jahre alt.

In dem Pullacher Haus der Familie wohnen auch die Großeltern. Sie werden derzeit von einem Seelsorger betreut und von der Polizei abgeschirmt.

Identifizierung schleppend

Nach der schlimmsten spanischen Luftfahrt-Katastrophe seit 25 Jahren versuchen Forensiker in Madrid unterdessen fieberhaft, die Toten zu identifizieren. Die Leichen wurden in eine Halle auf dem Messegelände der spanischen Hauptstadt gebracht und dort aufgebahrt.

Nach Angaben des Roten Kreuzes wird die Prozedur der Identifizierung sich noch über mehrere Tage hinziehen. Ein Ende sei nicht absehbar, sagte eine Sprecherin. Viele Leichen sind so verkohlt, dass eine Identifizierung nur mit Hilfe von DNA-Analysen möglich sein wird.

Bei dem Unglück des Flugzeugs der spanischen Gesellschaft Spanair kamen 153 Menschen ums Leben. Eine Maschine der Fluggesellschaft Spanair war unmittelbar nach dem Start auf dem Flughafen Madrid-Barajas zerschellt und in Flammen aufgegangen. 19 Insassen der Maschine vom Typ MD-82 überlebten mit schweren Verletzungen, ihre Nationalität weiterhin ungeklärt.

17 der 19 Überlebenden seien identifiziert, sagte die spanische Infrastrukturministerin Magdalena Alvarez lediglich. Zwei Kinder seien unter den Überlebenden der Katastrophe. Nach Angaben der kolumbianischen Botschaft in Madrid überlebte auch eine Kolumbianerin das Unglück.

Deutsche Experten vor Ort

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte am Donnerstagmorgen, Mitarbeiter der deutschen Botschaft bemühten sich vor Ort um Aufklärung. Spezialisten des Bundeskriminalamtes (BKA) sollen bei der Identifizierung der Opfer der Flugzeugkatastrophe von Madrid helfen. Spanien hat ein entsprechendes Angebot der Bundesregierung in der Nacht angenommen.

Aufschluss über die Unglücksursache soll nun die weitere Auswertung der mittlerweile geborgenen zwei Flugschreiber des Flugzeugs vom Typ McDonnell Douglas MD-82 bringen. Diese wurden einem Ermittlungsrichter übergeben, der für die Untersuchungen eine Nachrichtensperre verhängte. Demnach meldete der Pilot der Spanair-Maschine vor dem Abheben technische Probleme.

Auf der Website der Spanair wurden unterdessen die Namen der Menschen an Bord veröffentlicht. Demnach waren unter den Passagieren auch 20 Kinder und zwei Babys. Nach Angaben des schwedischen Außenministeriums befanden sich zwei Schweden in der Unglücksmaschine. Einer liege im Krankenhaus, der andere werde vermisst.

Köhler sendet Trauertelegramm an Juan Carlos

Der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero sagte, die Ursachen der Katastrophe würden lückenlos aufgeklärt. Er hatte wegen der Katastrophe seinen Urlaub unterbrochen und spendete den Angehörigen der Opfer Trost.

Bundespräsident Horst Köhler reagierte mit Bestürzung auf die Katastrophe und sicherte dem spanischen König Juan Carlos I. die tiefe Anteilnahme der Bundesrepublik zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach Zapatero ihr Beileid aus.

Die spanische Regierung ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Die Fahnen in der Hauptstadt Madrid wurden auf Halbmast gesetzt.

Das Unglück wurde in Medienberichten darauf zurückgeführt, dass möglicherweise beim Start ein Triebwerk der zweistrahligen Maschine in Brand geraten sei. Luftfahrtexperten wiesen jedoch darauf hin, dass bei der Katastrophe auch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben müssten. Eine Maschine dieses Typs könne notfalls auch mit nur einem Triebwerk starten.

Lesen Sie auf Seite 2 die Details zum Absturz

Die Verkehrsministerin bestätigte, dass der Pilot des Jets vor dem Unglück einen Start abgesagt habe, weil technische Probleme aufgetaucht seien. Der Pilot der Maschine habe vor dem Abheben Probleme mit einem Temperatur-Messgerät am Äußeren des Flugzeugs gemeldet, berichtete die Nachrichtenagentur Europa Press. Der Defekt sei jedoch vor dem Start behoben worden.

Alvarez sagte, das Flugzeug sei wegen eines technischen Problems mit einer Stunde Verspätung gestartet. Die Maschine sei bereits auf dem Weg zum Rollfeld gewesen und dann noch einmal umgekehrt. Ob die Probleme etwas mit der Katastrophe zu tun haben, ist bisher unklar.

Spanair erklärte, das Unternehmen wolle sich nicht an Spekulationen über die Unglücksursache beteiligen. Zunächst gelte es, sich um die Opfer und deren Angehörigen zu kümmern. Die Maschine war nach Angaben von Spanair 15 Jahre alt und allen vorgeschriebenen Inspektionen unterzogen worden.

"Da sah nichts mehr wie ein Flugzeug aus."

Laut Flugplan sollte die Spanair-Maschine um 13.00 Uhr vom Großflughafen Barajas der spanischen Hauptstadt nach Gran Canaria abheben. Beim zweiten Startversuch raste das Flugzeug gegen 14.45 Uhr dann über die Landebahn hinaus und ging in Flammen auf.

Die Maschine war beim Start kaum vom Boden abgehoben und hinter der Startbahn auf einer Wiese in einer Senke zerschellt. Der Flughafen wurde sofort gesperrt. Wenig später wurden die Starts und Landungen in eingeschränktem Umfang wieder aufgenommen. In der Nacht zum Donnerstag normalisierte sich der Flugverkehr wieder.

Helfer der Rettungsdienste berichteten, das Flugzeug sei in mehrere Teile zerbrochen. "Es ist ein Wunder, dass überhaupt jemand überlebte", sagte ein Augenzeuge. Ein Helfer berichtete: "Das Wrack war total verkohlt und voller Leichen. Da sah nichts mehr wie ein Flugzeug aus."

Königsfamilie trifft Verwandte der Opfer

Die Fluggesellschaft Spanair, die in der Star Alliance unter anderem Partner der Lufthansa ist, befindet sich seit geraumer Zeit in schweren wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die skandinavische Muttergesellschaft SAS hatte vergeblich versucht, einen Käufer für das kränkelnde Unternehmen zu finden. Zur Zeit ist Spanair dabei, fast ein Drittel der Beschäftigten zu entlassen und das Streckennetz zu reduzieren.

Das spanische Königspaar hat sich am Donnerstag nach Madrid begeben und den Angehörigen der Opfer der Flugzeugkatastrophe sein Beileid ausgesprochen. König Juan Carlos und Königin Sofia trafen am Mittag auf dem Ifema-Messegelände der spanischen Hauptstadt ein, wo die sterblichen Überreste der Opfer aufgebahrt waren. Juan Carlos, der seinen Urlaub auf Mallorca unterbrach, und Sofia, die von den Olympischen Spielen in Peking zurückkehrte, wurden vom Madrider Bürgermeister Alberto Ruiz Gallardón empfangen.

Regierungssprecherin Nieves Goicoechea schloss einen Anschlag als Ursache des Unglücks aus. Es bestehe "kein Zweifel", dass es sich bei der Katastrophe um einen Unfall handele, sagte sie.

Die Spanair hat eine Hotline für Angehörige eingerichtet: 0034-800 400 200.

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