Flugzeugunglück in Madrid:Die Nerven liegen blank

Nach dem Drama von Madrid herrscht Verwirrung um die Passagierliste. Zwischenzeitlich war von fünf toten Deutschen die Rede. Auch die Unglücksursache gibt Rätsel auf.

Javier Cacéres, Madrid

Die Filmsequenz vom Unglücksflug JK5022 der Linie Spanair dauert nur wenige Sekunden. Und sie ist, dem Vernehmen nach, von eher minderer Qualität. Doch sie reicht aus, um die ersten Schilderungen des Hergangs der Madrider Flugzeugkatastrophe vom Mittwoch in ihren Grundfesten zu erschüttern.

Denn wie spanische Medien am Freitag berichten, ist auf den Bildern, die von den Überwachungskameras der spanischen Flughafenbehörde Aena aufgezeichnet wurden, nicht zu erkennen, dass ein Motor des verunglückten Flugzeugs brannte. Die Maschine sei beim Start nach Gran Canaria abgehoben, dann abgestürzt und erst am Boden in Flammen aufgegangen, hieß es.

Der Film, der nicht veröffentlicht worden ist, stellt damit in Abrede, was Augenzeugen am Mittwoch beobachtet haben wollen: eine Explosion des linken Triebwerks als Auslöser des Absturzes, der 153 Todesopfer forderte. "Wir sind nahe daran, diese Möglichkeit auszuschließen", hieß es laut El Periódico de Catalunya in Regierungskreisen.

Eklat im Hotel

Staatsanwalt Emilio Valerio erklärte in einem Rundfunkinterview, er hoffe darauf, die Unglücksursache innerhalb eines Monats klären zu können. Ob das zu optimistisch war, wird sich noch zeigen. Experten gehen weiterhin davon aus, dass eine Verkettung von Umständen zu der Katastrophe geführt hat.

Sicheren Aufschluss über ihren Hergang geben die bereits am Mittwoch geborgenen Flugschreiber, einer ist schwer beschädigt. Die Auswertung der so genannten Black Box könne zwar vorgenommen werden, dürfte sich aber schwierig gestalten, hieß es seitens der Fluggesellschaft Spanair. Deren Krisenmanagement gerät unterdessen immer stärker in die Kritik. Am Donnerstagabend kam es deshalb zu einem Eklat.

Spanair hatte Angehörige von Opfern zu einer Informationsveranstaltung in einem Hotel in Madrid geladen. Doch diese verließen die Sitzung nach nur 15 Minuten. Ein Unternehmenssprecher hatte keine Antworten auf die drängendsten Fragen liefern können, war mit den Angehörigen und deren blank liegenden Nerven überfordert. "Seine Hände zitterten", berichtete ein Teilnehmer.

Auch von offiziellen Stellen gab es Kritik an Spanair. Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero und der Regierungschef der Autonomen Region Kanaren, Paulino Rivera, monierten die Verzögerungen bei der Veröffentlichung der Passagierliste. Die Frage, wie viele deutsche Passagiere an Bord des Unglücksfluges waren, sorgte auch am Freitag noch für einige Verwirrung.

Zunächst waren die Behörden nur von vier deutschen Opfern ausgegangen. Dabei handelt es sich um eine Familie aus Pullach. Deren zweifelsfreie Identifizierung stand allerdings auch am Freitag noch aus. Am Donnerstag war zudem irrtümlich eine Frau als deutsche Staatsbürgerin betrachtet worden, die sich später als Schwedin entpuppte.

Am Donnerstagabend war dann von einem anderen möglichen fünften deutschen Opfer die Rede. Javier Rubio, Sprecher der spanischen Regierung, sagte am Freitag, es handele sich um eine Frau mit den Initialen M. B. Diese Information sei auch an die deutschen Behörden weitergeleitet worden. Ihr Name war allerdings auf der von Spanair veröffentlichten Passagierliste nicht zu finden. Eine Spanair-Sprecherin erklärte, die veröffentlichte Liste sei erst nach mehrfacher Prüfung veröffentlicht worden und "geschlossen". Eine Frau mit dem Namen M. B. war demnach nicht an Bord.

Ermittlungsrichter Javier Pérez sperrte unterdessen die Filmaufnahmen vom Unglücksort. Er wolle damit die Privatsphäre der Opfer schützen, hieß es in seinem Beschluss. Die meisten TV-Sender, darunter der staatliche Sender TVE, unterwarfen sich dem Diktum.

Derweil veröffentlichen die Zeitungen tragische Details: Der Sohn eines der Todesopfer erklärte einem Radiosender, unmittelbar nach dem abgebrochenen ersten Startversuch habe sein Vater seiner Frau in einer SMS berichtet, dass er sich wegen technischer Probleme des Fliegers verspäte. Die Frau habe daraufhin zurückgeschrieben, er solle das Flugzeug verlassen. "Die Türen sind zu", habe der Mann geantwortet. Auch andere Passagiere sollen darum ersucht haben, das Flugzeug zu verlassen, als es an seinem Parkplatz von Mechanikern überprüft wurde.

Der Staatsakt für die Opfer des Flugzeugabsturzes von Madrid soll am 1. September in der Kathedrale La Almudena der spanischen Hauptstadt abgehalten werden. Unterdessen wurde die Spanair-Flugnummer JK5022 gelöscht. Der Flug heißt künftig JK5024.

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