Flugzeugbrand in Moskau:"Mama, wir fliegen los"

Eine russische Passagiermaschine mit 78 Menschen an Bord geht in Flammen auf, 41 Menschen kommen ums Leben, 37 können sich retten. Über einen Blitzeinschlag, eine Notlandung und eine Tragödie, deren Ursachen noch unklar sind.

Von Jens Flottau und Frank Nienhuysen, Frankfurt/München

Es ist der Tag, an dem die Tragödie sich nicht mehr nur in Zahlen ausdrückt, sondern auch in Namen und Gesichtern. "Mama, wir fliegen los", sagt die zwölf Jahre alte Sonja Nowikowa im Flugzeug in ihr Handy. Sie war über die Maifeiertage mit ihrem Vater bei Verwandten in Kursk gewesen, schrieb die Zeitung Moskowskij Komsomolez; sie nahmen den Zug nach Moskau, bummelten noch ein bisschen durch die Stadt und fuhren dann raus nach Scheremetjewo, dem Heimatflughafen von Aeroflot. Nach Murmansk aber, in den Nordwesten von Russland, schafften es die beiden nicht.

Sie gehören zu den 78 Personen, die am Sonntagabend im brennenden Suchoj-Superjet 100 saßen. 41 Menschen starben, unter ihnen die Schülerin und Maxim Moissejew, 22, ein junger Flugbegleiter. Er saß im hinteren Teil des Flugzeugs, der zur tödlichen Falle wurde. Als die Flammen stieben, half er den Passagieren hinaus, die Komsomolskaja Prawda schreibt, "bis zuletzt hat er Menschen gerettet". Überhaupt stimmten alle, die zu Wort kamen in den russischen Medien, überein, dass sich das begleitende Flugpersonal sehr professionell verhalten habe. Aber natürlich wurde am Montag auch darüber geredet, ermittelt, was oder wer denn Schuld hat am Drama von Moskau.

Als gesichert gilt nach den ersten Aussagen von Passagieren, dem Piloten und einer Flugbegleiterin, dass nach dem Start bei schlechtem Wetter ein Blitz in die Maschine einschlug. Der Pilot sagte nach russischen Medienberichten aus, dass danach die Crew den Funkkontakt zur Bodenstation verloren habe. Die Maschine kehrte zurück, bei der Notlandung prallte das Flugzeug mehrmals auf und ging in Flammen auf. Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler wurde bei dem Aufprall das Fahrwerk zerstört und Teile flogen in den mit Kerosin gefüllten Tank.

Die Ermittler gingen mehreren Spuren nach. Dabei wurden nicht nur die schlechten Wetterbedingungen genannt, sondern auch eine mögliche nicht ausreichende Qualifikation von Piloten, Fluglotsen und Technikern sowie ein möglicher schlechter Zustand der noch neuen Maschine, die nach einem Bericht der Kommersant im September 2017 bei Aeroflot in Dienst gestellt wurde. Viele Russen fragten sich auch, warum die Feuerwehr trotz der absehbaren Notlandung nicht schneller die brennende Maschine erreichte.

Obwohl die Ursachen der Katastrophe am Montag noch unklar waren, erklärte Transportminister Jewgenij Ditrich, dass es zunächst keinen Grund gebe, die Superjet-Flotte SSJ-100 am Boden zu lassen. Aeroflot, die größte russische Fluggesellschaft, nutzt 50 dieser Maschinen, mit denen Russland im zivilen Flugzeugbau wieder eine wichtigere Rolle auf dem Weltmarkt spielen will, neben Airbus und Boeing. Der Superjet hat Platz für etwa hundert Passagiere und wird vor allem für Regionalflüge eingesetzt. Erstmals ist er 2008 geflogen. Bisher sind etwa 150 Flugzeuge dieses Typs gebaut worden, weit weniger als einst erhofft. Gut 130 sind derzeit im Linieneinsatz. Die staatliche Aeroflot ist der größte Kunde und betreibt mehr als ein Drittel der weltweiten Flotte.

Russisches Flugzeug fängt Feuer

Dieses Videostandbild des Russischen Untersuchungsausschusses zeigt die brennende Maschine des Typs Suchoj Superjet-100.

(Foto: dpa)

International sind die Erfahrungen mit der Maschine gemischt. Die mexikanische Billigfluggesellschaft Interjet hat massive operationelle Probleme, vor allem weil aus ihrer Sicht die Versorgung mit Ersatzteilen zu kompliziert sei. Die irische CityJet, die ihre Superjets eine Weile für Brussels Airlines geflogen hat, will sich aus ähnlichen Gründen von der Flotte wieder trennen.

Der Unfall in Moskau war der dritte eines Superjets, der zweite, bei dem Menschen starben. 2012 war eine Maschine während eines Demonstrationsfluges in der Nähe Jakartas abgestürzt. Damals kamen 45 Insassen ums Leben.

Das Unglück von Scheremetjewo ist für die russische Luftfahrtindustrie ein weiterer Schlag. Und es hat bereits erste wirtschaftliche Konsequenzen. Die russische Regionalfluglinie Jamal, die 15 Superjet-Maschinen fliegt, gab am Montag bekannt, dass sie von ihren Plänen, zehn weitere in Dienst zu stellen, erst einmal absieht.

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