Flugzeugabsturz:Sechs Minuten nach dem Start

Flugzeugabsturz: 60 Kilometer südöstlich von Addis Abeba: Rot-Kreuz-Helfer am Sonntag an der Absturzstelle. Helfen konnten sie niemandem mehr.

60 Kilometer südöstlich von Addis Abeba: Rot-Kreuz-Helfer am Sonntag an der Absturzstelle. Helfen konnten sie niemandem mehr.

(Foto: Michael Tewelde/afp)

Schon wieder stürzt eine Boeing "737 Max 8" ab: 157 Menschen kommen in Äthiopien in der Nähe von Addis Abeba ums Leben, darunter auch fünf Deutsche.

Von Bernd Dörries und Jens Flottau, Kapstadt/Frankfurt

Am Sonntag steht Tewolde Gebre Mariam in einem Krater wenige Kilometer vom Flughafen von Addis Abeba entfernt und berührt ein Metallteil, eines der wenigen erkennbaren Überreste der Boeing 737 Max 8 von Ethiopian Airlines, die am frühen Morgen abgestürzt war und 157 Menschen mit in den Tod riss. Seit 2011 ist er der Chef von Ethiopian Airlines und hatte seitdem vor allem positive Nachrichten zu verkünden: Ethiopian Airlines gehört zu den am schnellsten wachsenden Fluglinien der Welt, gewann jedes Jahr Preise und eröffnete fast im Wochentakt neue Flugrouten zu mittlerweile 125 Zielen weltweit. Die äthiopische staatliche Fluglinie mit ihren mehr als 100 meist neuen Maschinen ist der Stolz des Landes, eine Erfolgsgeschichte in einer Region am Horn von Afrika, die viele mit Kriegen und Hunger in Verbindung bringen. Umso größer die Bestürzung über den Absturz des Flugzeuges, das auf dem Weg von Addis Abeba in die kenianische Hauptstadt Nairobi war.

Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus. Kenias Staatschef Uhuru Kenyatta zeigte sich "betrübt" und erklärte, er bete für die Angehörigen der Opfer. Addis Abeba und Nairobi sind Sitz verschiedener internationaler Organisationen und regionaler Zentren in Ostafrika, viele internationale Unternehmen haben hier ihren Sitz. Die beiden Hauptstädte sind Ausgangspunkt für Safaris und Rundreisen. Die Opfer des Absturzes kommen aus 35 Nationen. 32 Kenianer kamen ums Leben, 19 Kanadier - und nach Angaben von Ethiopian wohl auch fünf Deutsche. Das Auswärtige Amt erklärte am Sonntagabend, man habe noch keine genaueren Informationen. An Bord waren jedenfalls mindestens zwölf Mitarbeiter der Vereinten Nationen. Sie seien auf dem Weg zu einer Konferenz des UN-Umweltprogramms in Nairobi gewesen, sagte ein UN-Vertreter in New York.

Nach Angaben von Ethiopian-Chef Tewolde Gebre Mariam sei das Flugzeug am Morgen bei gutem Wetter in Addis Abeba gestartet. Der Pilot habe nur wenig später "Probleme" gemeldet und um Erlaubnis zur Rückkehr nach Addis Abeba gebeten. Dafür habe er die Erlaubnis bekommen. Sechs Minuten nach dem Start sei der Kontakt abgebrochen.

Die Maschine war erst im November ausgeliefert worden und hatte nur etwa 1000 Flugstunden. Der Absturz des Ethiopian-Fluges ist der zweite einer Boeing 737 Max 8 innerhalb von weniger als fünf Monaten. Am 20. Oktober 2018 war eine Maschine der indonesischen Billigfluglinie Lion Air 13 Minuten nach den Start in Jakarta abgestürzt. Alle 189 Menschen an Bord waren ums Leben gekommen. Die Unfalluntersuchungen dauern an. Es deutet sich an, dass sowohl Versäumnisse der Wartungsabteilung als auch der Piloten dazu beigetragen hatten. Vor allem aber wird untersucht, ob die von Boeing neu eingeführte Software namens Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) für den Absturz mitverantwortlich ist. MCAS soll verhindern, dass das Flugzeug in eine zu steile Lage kommt, und korrigiert daher die Nase automatisch nach unten. Im Fall der Lion-Air-Maschine wäre die Korrektur aber womöglich gar nicht nötig gewesen, Sensoren hatten falsche Daten geliefert. Die damals eingesetzten Piloten waren aber offenbar nicht mit dem System vertraut. Dem Flugzeughersteller Boeing wird seitdem von verschiedenen Pilotenorganisationen vorgeworfen, das System ohne eine spezielle Schulung eingeführt zu haben.

Bislang gibt es keine Hinweise darauf, ob ähnliche technische Faktoren zu dem Ethiopian-Unfall beigetragen haben. Aufzeichnungen des Routendienstes Flightradar 24 zufolge war die Maschine vom 2300 Meter hoch gelegenen Flughafen zunächst nur wenige Hundert Meter gestiegen, anschließend zunächst auf konstanter Höhe weitergeflogen, dann stark gestiegen und wieder gesunken, bevor die Radaraufzeichnungen stoppten. Bilder vom Absturzort zeigen einen Krater und kleinteilige Trümmer, die darauf hindeuten, dass das Flugzeug nicht in der Luft zerbrochen ist.

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