Flugzeugabsturz in Libyen:Der Junge ohne Erinnerung

Der Zustand des einzigen Überlebenden von Tripolis ist stabil - doch vom Tod seiner Familie weiß der Neunjährige noch nichts. Indes wird scharfe Kritik an Reportern laut, die das Kind aus den Niederlanden interviewt haben.

Der holländische Junge, der als einziger den Flugzeugabsturz in Tripolis überlebte, kann sich nicht an die Katastrophe erinnern. Bislang habe dem neunjährigen Ruben aus Tilburg auch noch niemand gesagt, dass seine Eltern und sein elfjähriger Bruder bei dem Absturz am Mittwoch umgekommen sind, berichtete die niederländische Zeitung De Telegraaf.

Flugzeugabsturz; Tripolis; Libyen; dpa

Nur ein kleiner Junge überlebte die Flugzeugkatastrophe von Tripolis.

(Foto: Foto: dpa)

Das Kind wird derzeit in einem Krankenhaus in Tripolis behandelt. Er hat nach Angaben libyscher Ärzte bei dem Absturz mehrere komplizierte Beinbrüche erlitten sowie eine Gehirnerschütterung und Verletzungen am Rücken. Sein Zustand sei aber stabil.

Ein in Johannesburg gestarteter Airbus A330 von Al Afriqiyah war am Mittwochmorgen im Landeanflug auf den Flughafen von Tripolis bei der Landung explodiert. Von den 104 Insassen überlebte nur der neunjährige Ruben.

An diesem Samstag soll der Junge nach Hause geflogen werde, wie der Generaldirektor des niederländischen Außenministeriums, Ed Kronenburg, mitteilte. Das Kind muss derzeit einen Strom von Besuchern in seinem Krankenzimmer im Al-Chadra-Krankenhaus ertragen. Neben Fotografen und Kameraleuten kam auch Seif al-Islam al-Gaddafi, der politisch ambitionierte Sohn von Staatschef Muammar al-Gaddafi, um nach dem verletzten Jungen zu schauen.

Die Zeitung Libya al-Yom meldete unterdessen, der Stimmenrekorder und der Flugdatenschreiber der Unglücksmaschine seien französischen Experten zur Auswertung übergeben worden. Weshalb der Pilot die Landebahn verfehlte, ist noch unklar. Berichte, wonach er den Tower in Tripolis kurz vor der Landung über einen technischen Defekt informiert haben soll, wurden von den libyschen Behörden bislang nicht bestätigt.

Ein Deutscher unter den Opfern

Die Fluggesellschaft veröffentlichte die Nationalitäten der 103 Todesopfer. Demnach waren 67 Niederländer, 13 Südafrikaner und 13 Libyer, darunter elf Besatzungsmitglieder, an Bord der Unglücksmaschine. Außerdem seien vier Belgier und zwei Österreicher gestorben, aus Deutschland, Simbabwe, Frankreich und Großbritannien stammte den Angaben zufolge jeweils ein Todesopfer. Ein weiteres Opfer sei noch nicht identifiziert worden. Das Auswärtige Amt hatte am Donnerstag den Tod eines Bundesbürgers bestätigt.

In den Niederlanden wurde scharfe Kritik an einem Telefoninterview laut, das De Telegraaf mit dem offenkundig noch unter Schock stehenden Jungen geführt hatte. Kronenburg, bezeichnete das Telefonat als "übel". "Das hätte es nicht geben dürfen", sagte der Generaldirektor des Außenministeriums. Familienminister André Rouvoet nannte das Vorgehen der Reporter "schamlos".

Die Chefredaktion erklärte daraufhin, dass Interview sei "unerwartet zustande gekommen". Reporter hätten in dem Krankenhaus angerufen, um sich nach dem Befinden des Jungen zu erkundigen, als plötzlich ein Arzt sein Handy an Ruben weitergereicht habe. "Ich weiß nicht, wie ich hierher gekommen bin, ich kann mich nicht erinnern", sagte Ruben nach Angaben der Zeitung. "Ich will einfach nach Hause." In dem Gespräch klagte der Junge über Schmerzen in den Beinen.

Eine Tante und ein Onkel sind inzwischen bei dem Jungen, der in niederländischen Medien "Das Wunderkind von Tripolis" genannt wird. Libyen habe außerdem ein Flugzeug mit medizinischer Spezialausrüstung zugesagt. Derweil bereiten Mitschüler von Ruben sowie Ärzte und Behörden in Tilburg alles für seine Rückkehr vor.

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