Bei dem Absturz eines DHL-Frachtflugzeugs nahe dem litauischen Hauptstadtflughafen gibt es bisher keine Anzeichen auf eine Sabotage oder einen Terroranschlag. Das bestätigte der litauische Verteidigungsminister Laurynas Kasčiūnas vor Journalisten.
Auch die deutschen Sicherheitsbehörden beteiligen sich an den Ermittlungen. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung werde am Ort des Geschehens in Litauen unterstützen, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums in Berlin. Ab dem Abend seien Kollegen dort im Einsatz.
Der Flieger der spanischen Gesellschaft Swiftair war kurz nach 3 Uhr in Leipzig gestartet, um Pakete für DHL nach Vilnius zu bringen. Gegen 4.30 Uhr stürzte er ab. Dabei wurde ein spanischer Staatsbürger getötet, wie ein Vertreter der Polizeibehörde der litauischen Nachrichtenagentur Elta sagte. Die übrigen Insassen des Flugzeugs – ein Deutscher, ein weiterer Spanier und ein Litauer – seien verletzt worden.
Bewohner eines getroffenen Mehrfamilienhauses in Sicherheit
Laut dem Leiter des litauischen Rettungsdienstes, Renatas Požėla, stürzte der Flieger wenige Kilometer vor dem Flughafen ab und schlitterte anschließend mehrere Hundert Meter weit. Dabei wurde ein Mehrfamilienhaus in Vilnius’ Stadtteil Liepkalnis getroffen und ging in Flammen auf. Nach Angaben des Rettungsdienstes wurden die Einsatzkräfte gegen 5.30 Uhr informiert, zwei Stunden später sei das Feuer unter Kontrolle gewesen. Alle zwölf Bewohner konnten in Sicherheit gebracht werden.
Die Ursachen des Absturzes sind noch unklar. Etwa einen Kilometer vor dem Flughafen habe die Besatzung eine Notlandung einleiten müssen, teilte DHL mit. Der Absturz sei dann „höchstwahrscheinlich auf einen technischen Fehler oder ein menschliches Versagen zurückzuführen“, sagte der litauische Polizeichef Arūnas Paulauskas auf einer Pressekonferenz. Hinweise auf eine vorausgegangene Explosion gibt es dem nationalen Krisenzeitrum Litauens zufolge derzeit nicht.
Eine Auswertung der Kommunikation zwischen dem Piloten und dem Tower in Vilnius deutet laut einem Bericht des litauischen Rundfunks nicht auf einen Notfall oder andere Unregelmäßigkeiten beim Landeanflug hin. „Es war eine routinemäßige Kommunikation, ein einfacher Sinkflug“, sagte Sicherheitsexperte Vidas Kaupelis von der Universität Vilnius nach dem Anhören der Aufzeichnung. Auch Videos, die in litauischen Medien veröffentlicht wurden, deuten auf den ersten Blick nicht auf Turbulenzen beim Landeanflug hin.
Deutschland schickt Ermittler nach Litauen
Auf Nachfrage hatte Polizeichef Paulauskas am Morgen noch gesagt, dass ein Terroranschlag nicht auszuschließen sei. Dies müsse untersucht werden. Auch der Chef des litauischen Nachrichtendiensts, Darius Jauniškis, kann nach Angaben nationaler Medien Terrorismus noch nicht sicher ausschließen. Es sei aber „zu früh, um den Vorfall mit irgendetwas in Verbindung zu bringen“, sagte er.
Schon bevor bekannt wurde, dass Deutschland eigene Ermittler nach Vilnius schickt, hatte es aus Sicherheitskreisen geheißen, die deutschen Sicherheitsbehörden ständen „mit allen beteiligten Stellen im In- und Ausland im Austausch, um den Sachverhalt schnellstmöglich aufzuklären“.
Auch DHL leitete eigene Ermittlungen ein. Es gebe bislang aber keine Hinweise, dass eines der Pakete an Bord der Maschine verdächtig gewesen sei, heißt es vonseiten des Unternehmens. Flugzeugbauer Boeing teilte mit, man sammle Informationen und stehe zur Unterstützung bereit. Die Ermittlungen dauern Litauens Verteidigungsminister zufolge noch „etwa eine Woche“.
Schon vor einiger Zeit Warnungen vor Sabotage an Frachtflugzeugen
Der Chef der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste, Konstantin von Notz (Grüne), warnte vor vorschnellen Schlüssen. In aller Seriosität gehe es nun darum, erst einmal die genauen Hintergründe zu klären. Gleichzeitig erinnerte er an eine Aussage des Verfassungsschutzpräsidenten, der auf mögliche Sabotageakte gegen DHL-Maschinen hingewiesen habe.
Im August hatten die deutschen Sicherheitsbehörden Unternehmen aus der Luftfahrt- und Logistikbranche vor „unkonventionellen Brandsätzen“ gewarnt, die von Unbekannten über Frachtdienstleister verschickt werden. Im Juli hatte ein aus dem Baltikum verschicktes Paket im DHL-Logistikzentrum Leipzig Feuer gefangen, das einen Brandsatz enthielt. Ob ein Zusammenhang zwischen den Warnungen und dem aktuellen Flugzeugabsturz besteht, ist Teil der Ermittlungen.
In der Warnmeldung aus dem August kam das Wort Russland nicht vor. Dennoch wird in Sicherheitskreisen ein Zusammenhang mit den zunehmenden Fällen russischer Sabotage in Deutschland nicht ausgeschlossen.