Süddeutsche Zeitung

Flugzeugunglück in Nepal:Am Felsen zerschellt

Nach dem Absturz einer Maschine werden in Nepal 22 Leichen in 4000 Meter Höhe geborgen. Auch zwei Deutsche waren an Bord. Die Geschichte fataler Flugzeugabstürze in dem Land ist lang.

Von Moritz Geier

15 bis 20 Minuten vielleicht, länger hätte der Flug nicht dauern sollen. Dann hätte der kleine Flieger der nepalesischen Gesellschaft Tara Air Jomsom erreicht, ein Örtchen im oberen Kali-Gandaki-Tal in Nepal. Das Dorf liegt am sogenannten Annapurna Circuit, einer beliebten Trekkingroute im Himalaya. Ein größeres Touristenziel an dieser Strecke ist Pokhara, von dort hob das Flugzeug am Sonntagmorgen ab, um 9.55 Uhr, mit 22 Menschen an Bord. Zwölf Minuten später, um 10.07 Uhr, verlor die Flugsicherung den Kontakt zur Maschine.

Viel länger als zwölf Minuten, so viel ist mittlerweile klar, kann der Flug nicht gedauert haben. Am Montagmorgen haben Such- und Rettungskräfte des Militärs im Vorgebirge des Himalaya im Distrikt Mustang das an Felsen zerschellte Wrack gefunden, Fetzen und Trümmer auf etwa 4000 Metern Höhe. Alle 22 Leichen konnten bis zum Dienstagmorgen geborgen werden, unter ihnen auch zwei Deutsche, ein Mann und eine Frau aus Mittelhessen. Insgesamt waren nach nepalesischen Angaben 19 Passagiere und drei Besatzungsmitglieder an Bord. Durch den Aufprall, sagte eine Sprecherin der Airline der Kathmandu Post, wurden die Leichen über den ganzen Hügel geschleudert.

Die Behörden in Nepal versprechen nun schnelle Aufklärung, aber Aufklärung und Flugsicherheit passen nicht gerade gut zusammen in dem Land, zu lang ist die Geschichte verunglückter Maschinen. Dem Indian Express zufolge hat es im vergangenen Jahrzehnt 20 schwere Flugzeugabstürze in Nepal gegeben. Die Flugroute Pokhara-Jomsom gilt als eine der gefährlichsten Strecken: Seit 1997 starben hier nach Angaben der Nepali Times bei fünf Flugzeugabstürzen mindestens 74 Menschen. Im Februar 2016 etwa verunglückte ebenfalls eine Propellermaschine der Fluggesellschaft Tara Air, das ausgebrannte Wrack wurde später an einem Berg entdeckt.

Viele Regionen im Himalaya sind bekannt für ihre plötzlichen, extremen Wetterumschwünge

Die Gründe sind immer die gleichen: schlechtes Wetter, alte Maschinen, lasche Vorschriften. Auch im aktuellen Fall sieht es danach aus: Beim verunglückten Flugzeug des Typs Twin Otter 9N-AET soll es sich um eine 43 Jahre alte Maschine handeln. Am Sonntag herrschte dichter Nebel, die schlechten Sichtverhältnisse führten auch dazu, dass die Suche nach dem Flugzeug in der Nacht unterbrochen werden musste.

Wegen des schroffen Terrains in den Bergen und teils schmaler Täler lassen sich viele Landebahnen in Nepal nur von kleineren Maschinen wie jener Twin Otter anfliegen. Kleinere Flugzeuge aber haben Nachteile bei schwierigen Wetterbedingungen, sie sind starken Winden und heftigen Gewittern stärker ausgesetzt. Dazu kommt, dass sich das Wetter im Himalaya oft launisch zeigt, viele Regionen sind bekannt für ihre plötzlichen, extremen Wetterumschwünge.

Seit Jahren werfen Kritiker der nepalesischen Regierung vor, nicht genügend zu unternehmen, um den Flugverkehr im Land sicherer zu gestalten. Dringend notwendig wären Investitionen in die Infrastruktur und neue Maschinen, und strengere Vorschriften für die Fluggesellschaften, die ihr Personal nur unzureichend ausbilden und Maschinen schlampig warten.

2013 reagierte auch die EU: Sie setzte Nepal auf eine schwarze Liste, keine nepalesische Fluggesellschaft darf seither in die Europäische Union fliegen. Zu riskant. Die EU stellte dem Land Bedingungen, um von der schwarzen Liste genommen zu werden: Unter anderem sollten im Flugsektor Dienstleister und Aufsichtsbehörden voneinander getrennt werden, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Der Gesetzesvorschlag aber hängt seit Jahren im nepalesischen Parlament fest.

Für einigen Wirbel sorgte auch eine Aussage auf der Internetseite von Tara Air. Sie stehe auf einer Liste anerkannter Fluggesellschaften der deutschen TUI Group, behauptete die Airline, wie die ARD zuerst berichtete. Alle zwei Jahre würden Sicherheitsanalysen durchgeführt. Diese Angaben seien falsch, teilte TUI mit. Von einer Nutzung der Airline rate man ab.

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