Süddeutsche Zeitung

Flugzeug-Entführungen:Luftpiraten am Boden

Die Zahl der Flugzeugabstürze steigt zwar, ein anderer Grund für Flugangst ist jedoch fast verschwunden: Die Zahl der Flugzeug-Entführungen ist deutlich zurückgegangen.

Roland Preuß

Die Flugangst geht wieder um: Seit Anfang des Jahres hat es im Luftverkehr so viele Abstürze von Passagiermaschinen gegeben wie schon lange nicht mehr.

Weltweit sind seit Januar 622 Menschen umgekommen, weil Flugzeuge verunglückt sind. Im gesamten vergangenen Jahr waren es 455. Allein in den Monaten Juni und Juli wurden drei Katastrophen gemeldet - die jüngste am vergangenen Mittwoch, als eine iranische Tupolew mit 168 Menschen an Bord vom Himmel fiel, vermutlich wegen technischer Defekte. Zuvor waren zwei Airbus-Maschinen ins Meer gestürzt.

Ein anderer, weitverbreiteter Grund, Angst vor dem Fliegen zu haben, ist dagegen fast verschwunden: Es gibt kaum noch Flugzeug-Entführungen. Dies geht aus Zahlen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation Icao hervor, die Ende Juli veröffentlicht werden sollen. Die Aufstellung zeigt: Die Zahl der Flugzeug-Entführungen ist nach 2001 drastisch gesunken, vergangenes Jahr war nur eine einzige Maschine betroffen, ein sudanesischer Flieger, in den Rebellen eingestiegen waren.

Die internationalen Absprachen für mehr Sicherheit zeigen nun ihre Wirkung. Nach den Terroranschlägen vom September 2001 hatten die Staaten weltweit gehandelt. Seitdem bleibt die Tür zum gepanzerten Cockpit in der Luft verschlossen, die Fluggäste werden genauer auf mögliche Waffen untersucht, teilweise fliegen bewaffnete Sicherheitskräfte mit.

Später kamen in der Europäischen Union auch noch Beschränkungen für Flüssigkeiten hinzu, die nur noch in geringen Mengen und in transparenten Tüten erlaubt sind. "Terroristen, die den Flugverkehr angreifen wollen, haben als Passagier hierzu kaum noch eine Chance", sagt ein hoher Verfassungsschützer. Damit geht endlich eine lange Zeit der Geiselnahmen zu Ende.

Bereits 1931 wurde die erste Entführung einer Passagiermaschine aufgezeichnet, wie Heiko Schäffer in seiner Dissertation zum Thema schreibt. Rebellen kaperten damals in Peru eine Pan-Am-Maschine und nutzten sie, um Flugblätter abzuwerfen.

Am meisten mussten die Passagiere Ende der sechziger Jahre und in den siebziger Jahren leiden, als vor allem arabische Terroristen die Luftpiraterie für eine Wunderwaffe gegen Israel und den Westen hielten. Damals drangen manchmal jede Woche Gewalttäter mit Pistolen oder Messern in die Cockpits ein. Im Jahr 1970 zählte die UN-Organisation Icao 49 Entführungen, 1993 waren es 30 und 2000 immerhin noch zwölf. Insgesamt starben seit 1970 durch Entführungen, Sabotage oder Bomben etwa 7000 Menschen.

Weil es seit 2001 immer schwieriger geworden ist, Sprengstoff oder Waffen an Bord zu schmuggeln, zielen die Attacken nun öfter auf Einrichtungen am Boden wie etwa den Flughafen Glasgow, den zwei Islamisten 2007 mit einem Geländewagen voll mit Sprengstoff angriffen.

Statt mit Extremisten müssen sich die Besatzungen nun eher mit Betrunkenen oder Verwirrten herumschlagen wie etwa vergangenen Oktober, als ein Mann in einer russischen Maschine "Allah ist groß" rief, von einer Bombe an Bord erzählte und eine Landung in Wien wünschte.

In Deutschland zwang zuletzt 2004 ein Türke mit Eheproblemen mittels einer angeblichen Bombe einen Flieger zur Rückkehr nach München. Großen Eindruck hinterließ sein Auftritt allerdings nicht: Nach der Landung schubste ihn ein Passagier aus der Flugzeugtür, er wurde mit gebrochenem Bein von der Polizei aufgelesen.

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SZ vom 22.07.2009/cag
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