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Flugunfall-Experten:Ärzte drängten Lubitz kurz vor Absturz zu psychiatrischer Behandlung

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Der Copilot der vor knapp einem Jahr abgestürzten Germanwings-Maschine wurde zwei Wochen vor der Tragödie von einem Arzt in eine psychiatrische Klinik überwiesen. Das teilten Ermittler der französischen Untersuchungsbehörde BEA bei der Vorlage ihres Berichts zum Absturz des Jets mit. Demnach habe ein Mediziner am 10. März, zwei Wochen vor dem Absturz, eine mögliche Psychose diagnostiziert und eine Einweisung empfohlen.

Als Konsequenz fordern die Ermittler unter anderem neue Regeln für den Umgang mit der ärztlichen Schweigepflicht. Gesundheitsdienstleister sollten aufgefordert werden, bei Auffälligkeiten die entsprechenden Behörden zu informieren, heißt es in dem Bericht. Dazu seien klarere Regeln nötig. Bisher sei die ärztliche Schweigepflicht von Land zu Land unterschiedlich geregelt. Zudem empfiehlt die Flugunfallbehörde auch routinemäßige Überprüfungen von Piloten, wenn diese häufiger ausfallen. Dies solle "auch im Hinblick auf psychiatrische und psychologische Probleme" erfolgen, heißt es im Abschlussbericht.

Die BEA verzichtet aber auf Empfehlungen für Veränderungen an verschlossenen Cockpit-Türen. Die Türen seien wegen der Gefahr einer terroristischen Bedrohung gesichert, sagte BEA-Chef Rémi Jouty. Viele Fluglinien haben inzwischen eine Regelung eingeführt, nach der stets eine zweite Person im Cockpit sein muss. Diese zweite Person sollte aus Vertrauensgründen zuvor ausgewählt werden, sagte Jouty.

Bei dem Unglück starben 150 Menschen

Der Bericht kommt zu der Erkenntnis, dass der Germanwings-Copilot Andreas Lubitz vor dem Unglücksflug 4U9525 nicht über seine Krankschreibung informierte. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien nicht an Germanwings weitergeleitet worden. "Weder die Behörden, noch der Arbeitgeber waren vom Copiloten selbst oder von einer anderen Person, zum Beispiel einem Arzt, Kollegen oder einem Familienangehörigen informiert worden", heißt es im Bericht.

Die Ermittler bestätigten zudem, dass Lubitz die Maschine absichtlich zum Absturz brachte. Der Airbus A320 der Lufthansa-Tochter Germanwings war am 24. März 2015 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen abgestürzt. Alle 150 Menschen an Bord kamen ums Leben, unter ihnen 72 Deutsche. Bereits in einem Zwischenbericht im vergangenen Mai war die BEA zu dem Ergebnis gekommen, dass Lubitz das Flugzeug absichtlich abstürzen ließ. Den Flugkapitän hatte er zuvor aus dem Cockpit ausgesperrt. Der 27-Jährige litt unter schweren Depressionen und hatte sich in den Tagen vor dem Absturz im Internet über Möglichkeiten eines Suizids informiert.

Die BEA ist nicht für die juristische Aufarbeitung oder mögliche Schuldfragen zuständig, sondern für die sogenannte Sicherheitsuntersuchung. Neben dem exakten Ablauf des Geschehens, den sie bereits im vergangenen Jahr in einem Zwischenbericht dargestellt hatte, geht es dabei vor allem um mögliche Konsequenzen für Sicherheitsbestimmungen.

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SZ/dpa/AFP/jasch
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