Griechische Insel Lesbos:Flüchtlingslager Moria fast vollständig abgebrannt

Inzwischen sind die Flammen unter Kontrolle. Verletzte oder Tote gibt es offenbar nicht. Die Regierung vermutet organisierte Brandstiftung.

Der Großbrand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist nach Regierungsangaben weitgehend unter Kontrolle. In der Nacht waren in dem völlig überfüllten Lager und in der Umgebung mehrere Brände ausgebrochen. Starker Wind fachte die Feuer zusätzlich an. Weil auch Wohncontainer in Flammen standen, ließen die Behörden das Lager evakuieren. Verletzte oder gar Tote gab es bis zum Mittwochmorgen nicht, wie griechische Medien übereinstimmend berichteten.

Zwei Offiziere der Feuerwehr sagten dem Fernsehsender ERT, das Camp sei fast vollständig zerstört worden. Das Staatsfernsehen, das mit einer Sondererlaubnis aus dem Lager berichten durfte, zeigte Bilder von verkohlten Containerwohnungen und verbrannten Zelten rund um das Camp.

Ein Regierungssprecher sagte, an einem für den Vormittag einberufenen Krisentreffen würden neben dem Migrations- und dem Bürgerschutzminister auch der Chef des griechischen Geheimdienstes EYP und der Generalstabschef teilnehmen. Man vermute organisierte Brandstiftung. Über mögliche Verdächtige kursierten am Morgen unterschiedliche Angaben: Manche Geflüchtete aus dem Lager sprachen von Brandstiftung durch Inselbewohner. Anderen Berichten zufolge hatten Migranten selbst Feuer gelegt und danach die Feuerwehr bei den Löscharbeiten behindert. Letzteres bestätigte der Einsatzleiter im griechischen Fernsehen. Er sagte, Lagerbewohner hätten die Feuerwehrleute mit Steinen beworfen und versucht, sie an den Löscharbeiten zu hindern.

Die Einsatzkräfte der Insel kämpfen bereits seit Dienstagabend mit einem großen Waldbrand etwa 25 Kilometer nordwestlich von Moria. Das Flüchtlingslager ist seit Jahren heillos überfüllt, derzeit leben dort nach Angaben des griechischen Migrationsministeriums etwa 12 600 Flüchtlinge und Migranten - bei einer Kapazität von nur 2800 Plätzen.

Seit vergangener Woche treten zudem immer mehr Fälle von Corona-Infektionen auf, weshalb das Lager unter Quarantäne gestellt wurde. Am Dienstag wurde bekannt, dass die Zahl der aktuell Infizierten bei 35 liegt. Manche Migranten hätten das Lager verlassen wollen, um sich nicht mit dem Virus anzustecken, berichtete die halbstaatliche griechische Nachrichtenagentur ANA-MPA. Einige Infizierte und ihre Kontaktpersonen, die isoliert werden sollten, hätten sich hingegen geweigert, das Lager zu verlassen, um in Isolation gebracht zu werden.

Fire breaks out at Greece's overcrowded Moria refugee camp

Ausgebrannte und zerstörte Baracken: das Camp in Moria am Mittwochmorgen.

(Foto: REUTERS)

Die SZ konnte mit dem Rettungsassistenten Tobias Vorburg aus dem bayerischen Markt Schwaben sprechen. Er brach am Mittwochmorgen ins Krisengebiet auf. Im Camp wird er in der Triage eingesetzt, stuft also Patienten in einer mobilen Notaufnahme nach Dringlichkeit ein. "Ich stelle mich auf Brandverletzungen, Verbrennungen höheren Grades, Rauchgas-Intoxikationen, bis zu Lungenschäden ein", sagte Vorburg vor seiner Abreise am Telefon. "Bemerkenswert ist, dass die mobile Notaufnahme mitten im Zentrum von Moria unbeschadet überlebt hat."

Viele Bewohner des Lagers sind griechischen Medien zufolge vor dem Brand in die umliegenden Wälder und auf Hügel geflohen, andere haben sich auf den Weg zur Inselhauptstadt Mytilini gemacht. Stellenweise sollen sich ihnen Inselbewohner entgegengestellt und ihnen den Weg versperrt haben. Zudem postierten sich am Mittwochmorgen Bereitschaftspolizisten rund um das Lager und entlang einer fünf Kilometer langen Route nach Mytilini; sie sollen offenbar Migranten daran hindern, den Hafen zu erreichen.

Spannungen habe es in Moria immer gegeben, wegen der Corona-Problematik sei die Situation nun regelrecht explodiert, sagte Mytilinis Bürgermeister Stratos Kytelis dem Staatssender ERT. Man wisse nicht, wo die Menschen nun untergebracht werden sollten, Tausende seien obdachlos. Auch für die Einheimischen sei die Situation eine enorme Belastung.

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