Flüchtlinge:Syrerin spielt Klavier im Schlamm von Idomeni

  • Im strömenden Regen spielt eine Syrerin auf einem Flügel im griechischen Flüchtlingslager Idomeni.
  • Der Künstler Ai Weiwei will mit der Aktion auf die menschenunwürdigen Zustände im Lager aufmerksam machen.
  • Seit Tagen warten dort Tausende Flüchtlinge in Kälte, Schlamm und Regen auf ihre Weiterreise.

Krasser gehen die Gegensätze wohl kaum: Eine junge Syrerin musiziert im Schlamm des griechischen Flüchtlingslagers Idomeni auf einem weißen Flügel. Helfer halten eine Plastikplane, um die Pianistin vor dem strömenden Regen zu schützen. Einer der Helfer ist der chinesische Künstler Ai Weiwei, der die Aktion initiiert hat und den Flügel aufstellen ließ.

"Ich war sehr nervös, aber ich fühle mich sehr gut, meine Hände wieder auf ein Klavier zu legen." Vor drei Jahren hat die Spielerin Nur Alchsam das letzte Mal ein Klavier berührt. Seitdem ist sie auf der Flucht vor den Bomben in Syrien. Sie versucht nun, nach Deutschland zu gelangen, um ihr Studium fortzusetzen und ihren Mann wiederzusehen. Er lebt seit anderthalb Jahren in Deutschland.

"Ich bin einer von ihnen"

Ai Weiwei besucht derzeit das Flüchtlingslager in Griechenland, um auf die Notlage der Flüchtlinge aufmerksam zu machen. "Das ist keine Performance, das ist kein Konzert - das ist das Leben selbst", sagte er.

Bereits am Mittwoch reiste der Künstler in das griechische Lager. "Ich bin auch nur einer von ihnen, deshalb bin ich hier", sagte er zu der Aktion. Er wolle zeigen, "wie Europa funktioniert, wie die Menschheit funktioniert, in welchem Zustand die heutige Welt ist." Sein Besuch solle die Öffentlichkeit auf die menschenunwürdigen Zustände in dem Lager aufmerksam machen. In dem völlig überfüllten Lager in Idomeni sind etwa 12 000 Flüchtlinge gestrandet. Heftige Regenfälle und Stürme haben die Felder in Schlammwüsten verwandelt, auf denen die Zelte der Flüchtlinge stehen.

Nicht nur Schlepper - auch Helfer

Ai Weiwei protestiert seit Wochen gegen die europäische Flüchtlingspolitik. Im Februar hatte er mit einer Installation aus Schwimmwesten am Berliner Gendarmenmarkt für Aufsehen gesorgt. Die Westen stammen von der griechischen Insel Lesbos, wo beinahe täglich Menschen ankommen, die von der Türkei aus über das Mittelmeer flüchten. Sie sollen ein Symbol dafür sein, dass es neben kriminellen Schleppern auch viele Helfer in der Flüchtlingskatastrophe gibt.

Ende Januar stellte Ai Weiwei das Foto des ertrunkenen Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi in Griechenland nach. Der leblose Körper des Dreijährigen, angespült am Strand von Bodrum, hatte weltweit Entsetzen ausgelöst. Mit seinen Kunstaktionen will Ai Weiwei an die Menschen erinnern, die auf ihrem Weg nach Europa etrunken sind - oder drohen zu ertrinken.

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