Flüchtlinge im libanesischen Winter:"Die Situation bleibt katastrophal"

  • Anfang Januar tobte auf der Beeka-Ebene im Libanon der Wirbelsturm "Zina". Der Schnee ist in den vergangenen Tagen geschmolzen.
  • In die Zelte Tausender Flüchtlinge dringt nun Wasser.
  • Hilfsorganisationen sprechen von einer "dramatischen Situation".

Von Katrin Langhans

Sie hausen unter Zeltplanen, die sie über zusammengenagelte Bretter geworfen haben. Provisorisch, ungedämmt, mitten im libanesischen Winter. Die Flüchtlinge, die Glück haben, besitzen einen Ofen und etwas Kerosin. Wer Pech hat, dem bleibt nur eine Decke. In den vergangenen Tagen ist es wärmer geworden im Libanon, jetzt schmilzt der Schnee, den Sturm "Zina" Anfang Januar durch das Land gejagt hat. Die Feuchtigkeit weicht den Feldboden auf, durchdringt die Zelte, die Matratzen, kriecht unter die Jacken, unter die Haut.

Hunderttausende Menschen, die vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohen sind und in den selbst errichteten Camps nahe der Grenze zu ihrem Heimatland leben, müssen einen Winter durchstehen, der härter und kälter ist als im vergangenen Jahr. Wenn sich New York für einen Schneesturm rüstet, ist die Aufregung groß, passiert das im Libanon, wird es schnell wieder vergessen. Dabei sind in der US-Metropole nur bis zu 45 Zentimeter Schnee gefallen, vielerorts im Libanon gab es vor zwei Wochen dreimal so viel Schnee.

Besonders hart war es für die etwa 400.000 Flüchtlinge, die in der etwa 900 Meter hochgelegenen Beeka-Ebene leben. Das Hochplateau liegt zwischen dem Anti-Libanon und dem Libanon-Gebirge, nahe der syrischen Grenze. Die Temperaturen können dort im Winter unter Null Grad fallen. Vielen Flüchtlingen fehlt es an einfachsten Dingen für solches Wetter, wie geschlossenem Schuhwerk.

Vor fast vier Jahren begann der Bürgerkrieg, der viele Syrer zwang, ihre Heimat zu verlassen. Von den drei Millionen Menschen, die derzeit auf der Flucht sind, lebt etwa ein Drittel im Libanon - kein anderes Land beherbergt so viele syrische Flüchtlinge. Die Lager, in denen die Familien leben, sind häufig nicht offiziell errichtet, und über das ganze Land verstreut. Das macht es für Hilfsorganisationen nicht leicht, die Menschen zu erreichen. Erst recht nicht, wenn Schnee zeitweise die Straßen versperrt.

"Ganze Dörfer haben sich nach der Flucht im Libanon niedergelassen", sagt Rene Schulthoff, der in Beirut für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) arbeitet. Wenn es möglich ist, fahren er oder seine Kollegen raus aufs Hochplateau, um den Menschen Decken, Essen oder Öfen zu verteilen. Wie die anderen Hilfsorganisationen können sie dort ein paar Tausenden helfen, aber längst nicht allen. Es sind zu viele. "Manchmal ist das schon frustrierend", sagt Schulthoff.

Mutter mit Kind erfroren

Nach Angaben des Daily Star aus Beirut starben vier Menschen in der Kälte. Die libanesische Vereinigung für Hilfs- und Entwicklungsorganisationen (URDA) geht von zehn Toten aus, wie der Nachrichtensender n-tv.de berichtet. Darunter auch Kinder und Säuglinge. Eine Mutter soll auf der Flucht von Syrien mit ihrem Kind erfroren sein.

Nach einem Bericht des Flüchtlingshilfswerks UNHCR hat der Wirbelsturm mehr als 100 Zelte und Unterkünfte in den mehr als 1.7000 Siedlungen und Gemeinden der Flüchtlinge beschädigt. Ron Redmond vom UNHCR sprach in einem Bericht der Nachichtenagentur von einer "sehr dramatischen" Situation. Die Kälte sei für die geschwächten Menschen lebensbedrohlich, erklärte Vera Jeschke von der Caritas in einem offiziellen Bericht.

"Auch wenn der Sturm jetzt vorbei ist, bleibt die Situation katastrophal", sagt Schulthoff vom DRK. Der Winter dauere an und im Februar werde es wohl noch einmal kalt werden. "Wir hoffen aber, dass kein Schneesturm mehr kommt", sagt er. Nur wissen könne man das nicht.

Linktipp: Die Schauspielerin und UNHCR-Sondergesandte Angelina Jolie hat vor kurzem ein Flüchtlingslager im Irak besucht, in dem syrische Flüchtlinge leben. Nie seien die Zustände dort so schlimm gewesen wie jetzt, schreibt sie in einem Artikel für die New York Times.

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