Süddeutsche Zeitung

Flipper-Maschinen:Es rumpelt wieder

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Eigentlich war seine Zeit längst vorbei, nur noch Sammler, Museen und Historiker interessierten sich dafür. Doch jetzt ist der Flipperautomat zurück.

Von Stefan Wagner

Wenn das Wochenende da ist, verwandelt sich die Lagerhalle von Jörg Meißner in Berlin-Zehlendorf in ein dudelndes, pingendes, rumpelndes Haus. Überall: Bimmeln, Klacken, Rattern, Klingeln.

Das "Tschack" der Zugfeder, mit der die silberne Kugel ins Spiel geschossen wird. Freuden- und Enttäuschungsschreie der Spieler, ihre Gesichter beleuchtet von flimmernden Lichtern. "Manche spielen nonstop von 14 bis 22 Uhr", sagt Meißner, 53 Jahre alt, "da wird schon mal die Luft dick." Meißner hat 59 Flippertische in Berlin-Zehlendorf.

Eigentlich war die Geschichte der Flipper längst vorbei. Ende der 1970er-Jahre wurden mehr als 40 000 Geräte in Deutschland verkauft. Dann der Absturz. Zuerst kam Pacman, Space Invaders, Nintendo und Playstation. Schließlich Gaming-Apps auf jedem Smartphone. Die Absatzzahlen stürzten ab, Geräte wurden aus den Kneipen geworfen. Wer sich noch für die Flipper noch interessierte? Sammler, Museen, Historiker.

Sehnsucht nach echten Gegenständen

Vielleicht, weil das Haptische, das Analoge gerade wieder eine größere Rolle spielt, erlebt der Flipperautomat ein sehenswertes Comeback. Eine Verzehnfachung der Teilnehmerzahlen an Flipperturnieren in Ländern wie den USA oder Australien, berichtet das US-Magazin Newsweek. Der US-Flipperhersteller Stern meldet 40 Prozent mehr Absatz seit 2015.

Und auch der deutsche Flipperverband, die "German Pinball Association" (GPA), hat heute mehr als dreimal so viele Mitglieder wie 2013. "Der Anstieg in absoluten Zahlen, von 230 auf 800 Mitglieder, mag gering vorkommen", sagt GPA-Mitgründer Martin Wiest, "aber der Trend ist ganz deutlich."

Womöglich ist es das Physische, das die Menschen wieder zum Flippern bringt, die echte Silberkugel, die mechanischen Rampen, Bumper, Targets und Ejects. Das gefühlvolle Spiel mit der Zugfeder, die die Kugeln ins Spiel schießt. Oder die beiden Flipperhebel, die die Kugel im Spiel halten. "Das Taktile spielt eine Riesenrolle", sagt Martin Wiest vom GPA. "Wenn Kinder einen Flipper das erste Mal sehen, können sie nicht widerstehen, sie müssen drücken und schießen."

Razzien und Festnahmen

Der Kulturhistoriker Dennis Göttel spricht sogar schon von einer Retromanie, "so wie das Comeback der Schallplatte." Es gebe da "eine Sehnsucht nach echten Gegenständen und nicht nur der Darstellung von Gegenständen auf Bildschirmen." Göttel hat sich ganz der Erforschung der Bedeutung und Geschichte der Flipperautomaten verschrieben.

Der Triumphzug des "Geschicklichkeitsspiels ohne Gewinnmöglichkeit" startete in den USA in den 1930er-Jahren und in Europa in den 1940er-Jahren. Bis Ende der 1960er-Jahre waren die pinball machines, wie sie in den USA genannt werden, Symbole für Coolness, Männlichkeit, sogar ein wenig für Rebellion.

Deshalb auch das Verbot der Maschinen in vielen US-Bundesstaaten ab 1942, weil sie als "Einstiegsdroge" für andere Glücksspiele und als Ablenkung für Jugendliche von der Arbeit galten. Es gab Razzien und Festnahmen. New Yorks Bürgermeister Henry LaGuardia ließ 11 000 der Automaten in den Hudson River werfen.

Mit verbundenen Augen spielen

Heute fahren nicht wenige der neuen Fans zu Flippermessen, manch einer kann sogar erklären, was die Technik eines "Metallica"-Flippers von der Technik eines "Addams-Family"-Flippers unterscheidet. Längst werden die Automaten auch gesammelt, bis zu 15 000 Euro kosten seltene benutze Exemplare auf dem Gebrauchtmarkt.

Und es gibt Turniere, wie an diesem Wochenende in München, wo die Deutsche Flippermeisterschaft beginnt. Wobei man bei diesem Spiel gar nicht richtig gewinnen kann, nur die Niederlage so lange wie möglich hinauszögern.

Was man aber nicht Johannes Ostermeier sagen sollte: Wenn der 17-Jährige aus dem bayerischen Markt Schwaben spielt, steht er leicht vornübergebeugt am Gerät, jeden Tag, im Keller seiner Eltern. In der Welt der Flipperspieler gilt Ostermeier als große Hoffnung, nimmt an Dutzend Turnieren teil. "Ich habe mit vier Jahren angefangen", sagt Ostermeier. "Da musste ich auf einen Stuhl steigen, um spielen zu können."

Vergangenes Jahr flog Ostermeier zur Weltmeisterschaft nach Toronto. "Es lief nicht hundertprozentig", sagt er, "nur" Zwanzigster wurde Ostermeier. In der Weltrangliste steht er derzeit auf dem dritten Rang, in Deutschland ist er die Nummer Eins.

Fragt man ihn, was er besser macht als die anderen, sagt Ostermeier: "Ich habe ein sehr gutes Gefühl für die Geräte. Wenn es gut läuft, werde ich schon mal eins mit der Maschine. Dann könnte ich sogar mit verbundenen Augen spielen."

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