Finnland:Jagd, Sport und Mord

Der Amoklauf in Kauhajoki wirft erneut ein Schlaglicht auf die weite Verbreitung von Schusswaffen in Finnland.

Gunnar Herrmann

Studien zufolge kommen in dem nordeuropäischen Land auf 100 Einwohner 56 Pistolen und Gewehre. Damit liegt das Land hinter den USA und dem Jemen im internationalen Vergleich der Waffendichte auf Platz drei. Eine Erlaubnis für den Besitz einer Schusswaffe ist in Finnland relativ leicht zu bekommen. Das wurde schon im vergangenen Jahr nach dem Schulmassaker von Jokela kritisiert. Der 18-jährige Täter, der damals acht Menschen und sich selbst erschoss, hatte kurz zuvor ganz legal eine Lizenz für sein Mordwerkzeug erworben.

Finnland: Amokläufer Matti S. auf einer Internetseite

Amokläufer Matti S. auf einer Internetseite

(Foto: Foto: Reuters)

Auch Matti S., der Amokläufer von Kauhajoki, verfügte seit August über die Erlaubnis für eine Kleinkaliberpistole. Allerdings ist noch unklar, ob diese auch die Tatwaffe war. Mitarbeiter des Rettungsdienstes wurden nach der Bluttat in den Medien mit der Aussage zitiert, in der Berufsschule sei mit einem großen Kaliber geschossen worden.

Die weite Verbreitung von Schusswaffen in Finnland wird meist mit der ausgeprägten Jagdtradition begründet. In dem dünn besiedelten Land mit seinen ausgedehnten Wäldern werden oft schon Kinder und Jugendliche von ihren Eltern mit auf die Pirsch genommen. Das Jagen von Vögeln, Elchen und in manchen Gebieten auch Bären ist ein Volkssport, der von breiten Bevölkerungsschichten ausgeübt wird.

Selbst zehntausende Teenager verfügen über eine Waffenlizenz. Es gibt darum eine große Mehrheit unter den Bürgern, die der Forderung nach härteren Kontrollen und Vorschriften eher skeptisch gegenüber steht, weil sie eine Beeinträchtigung ihrer Freizeitaktivitäten fürchtet. Gegner härterer Waffengesetze verweisen außerdem gerne auf die niedrige Kriminalitätsrate des Landes. So wollen sie belegen, dass die große Verbreitung von Pistolen und Gewehren in Finnland eigentlich kein Problem sei.

Forderungen nach strengeren Vorschriften werden allerdings trotzdem immer wieder laut, insbesondere nach solch spektakulären Verbrechen wie den Schulamokläufen von Jokela und Kauhajoki. Die finnische Regierung hat in diesem Jahr bereits neue Regeln für die Ausstellung von Waffenscheinen ausgegeben. Seither muss jeder, der um die Erlaubnis für den Kauf eines Gewehrs oder einer Sportpistole ersucht, persönlich bei der Polizei vorsprechen.

In der Diskussion ist seit dem Amoklauf von Jokela außerdem, die Altersgrenze für den Waffenschein von 15 auf 18 Jahre anzuheben. Obwohl eine solche Reform von der EU schon seit Jahren angemahnt wird, hatte Finnlands Regierung sich dieser Verschärfung lange verweigert. Zur Begründung hieß es, man wolle den Jugendlichen die Ausübung von Hobbys wie Jagen oder Sportschießen nicht erschweren. Wenige Stunden nach dem Amoklauf kündigte Innenministerin Anne Holmlund nun allerdings an, die Regierung werde die Waffengesetze von Experten überprüfen lassen, um festzustellen, ob sie weiter verschärft werden müssen.

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