Pädophilen-Ring zerschlagen:184 Festnahmen, 230 Kinder gerettet

Drei Jahre ermittelte Europol im Pädophilen-Milieu, nun haben die Ermittler den weltweit wahrscheinlich größten Pädophilenring im Internet ausgehoben. Die Verdächtigen vergleichen die Strafverfolgung mit dem Terror der Nazizeit.

Malte Conradi

Für Europol ist es ein historischer Durchbruch im Kampf gegen Kinderpornografie und Kindesmissbrauch: Gemeinsam mit der nationalen Polizei von mehr als 30 Staaten hat die europäische Polizeibehörde den weltweit wahrscheinlich größten Pädophilenring im Internet ausgehoben. Durch die seit drei Jahren andauernde Operation unter dem Namen "Rettung" wurden nach Angaben von Europol-Sprecher Gerald Heßtera 230 Kinder im Alter zwischen zwei und etwa 13 Jahren "vor ganz konkreter Gefahr in Sicherheit gebracht". Im Mittelpunkt der Ermittlungen stand ein inzwischen abgeschaltetes Internetforum mit etwa 70.000 Mitgliedern, von denen 184 bereits festgenommen wurden. 670 Personen sind derzeit identifiziert und stehen unter Tatverdacht.

Pädophilen-Ring zerschlagen: "Alles, was die Straftäter online taten, haben wir verfolgt und aufgezeichnet." Peter Davies (Mitte) und seine Europol-Kollegen während der Pressekonferenz.

"Alles, was die Straftäter online taten, haben wir verfolgt und aufgezeichnet." Peter Davies (Mitte) und seine Europol-Kollegen während der Pressekonferenz.

(Foto: AP)

Das Pädophilen-Forum konnte jahrelang unbehelligt über einen Server in der niederländischen Kleinstadt Krommenie betrieben werden - der Betrieb des Servers und die bloße Mitgliedschaft in einem Pädophilen-Forum ist in den Niederlanden wie in vielen EU-Staaten nicht strafbar. Die Mitglieder tauschten sich zwar oft sehr explizit über ihre pädophilen Neigungen aus. Auch wurden auf diesem Weg Kontakte angebahnt. Die tatsächlichen Straftaten, also die Verabredung zum Kindesmissbrauch und der Austausch von kinderpornografischen Material fanden dann aber meist in persönlichem Email-Verkehr statt.

Der Betreiber der Internetseite, der 37-jährige Amir I., wurde bereits am vergangenen Mittwoch von einem holländischen Gericht zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Aus diesem Anlass hatte Europol seine Ermittlungen erstmals bekanntgemacht. Amir I. hatte in Brasilien zwei minderjährige Jungen missbraucht. Dieser Kontakt war ebenfalls über sein Forum zustande gekommen.

Auch die meisten der 184 Festgenommenen haben offenbar nicht nur Bilder ausgetauscht, sondern selbst Kinder missbraucht. Wie vielen der insgesamt 70.000 Forumsmitgliedern eine Straftat nachgewiesen werden kann, lässt sich noch nicht abschätzen, da die Ermittlungen in vielen Ländern noch laufen. "Wir rechnen aber mit weiteren Ermittlungserfolgen", sagte der Europol-Sprecher. Die Zahl von gut 4200 Ermittlungsberichten, die Europol den nationalen Polizeibehörden übergeben habe, liefere einen ersten Hinweis auf die zu erwartende Zahl verdächtigter Personen.

Welche Staaten betroffen sind, ist noch weitgehend offen. Genannt werden von den Behörden nur solche, in denen die Ermittlungen bereits abgeschlossen sind, darunter Griechenland, die Niederlande, Italien, USA, Thailand und Australien. Zu der Frage, ob auch Deutsche unter den Beschuldigten seien, wollte man sich bei Europol nicht äußern. Auch die deutschen Behörden verweigerten dazu jede Auskunft. Das könnte darauf hindeuten, dass hierzulande noch ermittelt wird.

Aussichtsloser Kampf gegen Pädophilie

Schwerpunkte des Pädophilennetzwerks lagen nach bisherigen Erkenntnissen in Spanien, wo mehr als 100 Kinder in Sicherheit gebracht wurden, und in Großbritannien, wo von 60 Kindern die Rede ist. 121 Briten wurden festgenommen und zum Teil schon verurteilt. Nur in den wenigsten Fällen mussten Kinder aus ihren Familien geholt werden. Als typischen Fall nannte Europol einen britischen Mann, der über einen längeren Zeitraum sowohl seinen zweijährigen Neffen als auch einen achtjährigen Nachbarsjungen missbrauchte, ohne dass die Eltern der Kinder etwas ahnten. Ein weiterer Mann wurde nur 24 Stunden, bevor er mit einer Pfadfindergruppe verreisen wollte, festgenommen. Er hatte offenbar geplant, in dem Zeltlager einen Jungen zu missbrauchen.

Peter Davies, der für die Strafverfolgung im Internet zuständige britische Polizeichef, sprach von einem enormen Erfolg: "Während die Straftäter sich im Internet anonym und sicher wähnten, haben wir die Technik gegen sie genutzt. Alles, was sie online taten, haben wir verfolgt und aufgezeichnet."

In einschlägigen deutschen Internetforen wird die Nachricht teilweise mit Spott und Häme kommentiert. Von lächerlichen Aufklärungsquoten und ahnungslosen Ermittlern ist dort die Rede. Andere Nutzer wiederum vergleichen die Strafverfolgung im pädophilen Milieu mit dem Terror der Nazizeit.

Einige Strafverfolger sprechen von einem fast aussichtslosen Kampf gegen Pädophilie im Internet. Kaum sei eine Webseite geschlossen, würde anderswo eine neue eröffnet, heißt es. Verschiedenen Schätzungen zufolge werden weltweit mindestens 5000 Foren betrieben, in denen Pädophile sich austauschen.

Für Europol ist der Ermittlungserfolg dennoch "ein Beweis dafür, dass internationale Verbrechen nur international bekämpft werden können". Mit der "Operation Rettung" sei es nicht nur gelungen, Straftäter aus dem Verkehr zu ziehen und andere abzuschrecken. "Wir haben auch dafür gesorgt, dass mindestens 230 Leben nun in eine bessere Richtung laufen", sagte Europol-Sprecher Heßtera.

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