Festnahme von Polanski:"Übereifrige" Schweiz

Die eidgenössisch Justizbehörde hat den USA frühzeitig einen Hinweis auf die Einreise von Star-Regisseur Roman Polanski gegeben. Nun ist sie in der Kritik.

Die Schweizer Behörden haben den Anstoß für die Verhaftung von Starregisseur Roman Polanski gegeben. Das Bundesamt für Justiz habe die USA über den geplanten Besuch Polanskis beim Filmfestival Zürich mehrere Tage im Voraus informiert. Das bestätigte der Sprecher des Amtes, Folco Galli.

Mehreren E-Mails zufolge schickte das Schweizer Bundesamt für Justiz am 22. September ein dringliches Fax an das Büro für internationale Angelegenheiten im Justizministerium in Washington, um die US-Ermittler über die Reise Polanskis zum Zürcher Filmfestival zu unterrichten. Polanski war am 26. September in Zürich wegen eines 32 Jahre zurückliegenden Sexualdeliktes, das er in den USA begangen hatte, in Auslieferungshaft genommen worden.

"Übliche gegenseitige Rechtshilfe"

"Wir wollen niemanden festnehmen, gegen den ein Haftbefehl aufgehoben worden ist", begründete Galli das Schreiben. Das US-Büro für internationale Angelegenheiten alarmierte daraufhin die Staatsanwaltschaft in Los Angeles, die laut Galli "ein ausdrückliches Haftersuchen" für Polanski übermittelte.

Galli und auch andere Schweizer Justizbeamte sprachen von einer üblichen Anfrage im Rahmen der gegenseitigen Rechtshilfe. Einige Schweizer Politiker erklärten dagegen, die Schweiz habe hier "übereifrig" mit den US-Behörden kooperiert. Sie äußerten den Verdacht, die Schweiz habe nach den Problemen zwischen beiden Ländern bei der Aufspürung von Steuerflüchtlingen nun ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit unter Beweis stellen wollen. Die Justizbehörden in Bern wiesen dies entschieden zurück.

Gerichtsakten ausgewertet

Ein US-Reporter wertete unterdessen die Gerichtsakten aus, die 1977 nach Befragung von Polanskis Opfer, der damals 13-jährigen Samantha Geimer, erstellt worden waren. "Ich hätte am liebsten geweint. Ich sagte nur: Nein, nicht doch. Hören Sie auf. Aber ich hatte Angst", zitiert die Los Angeles Times die Vernehmungsprotokolle.

Wie auch die Baseler Zeitung berichtet, erzählte das Mädchen, Polanski habe zunächst eine Quaalude-Pille (ein Medikament, das als Hypnotikum dient, aber auch als Droge missbraucht wird) genommen und ihr ebenfalls etwas davon angeboten habe. Sie habe die Pille genommen und mit Champagner runtergespült. Anschließend habe er sie zuerst geküsst, dann zum Geschlechtsverkehr gezwungen, obwohl sie mehrfach "Nein" gesagt habe. "Erzähle deiner Mutter nichts davon. Das bleibt unser Geheimnis", habe er noch gesagt.

Polanski sitzt wegen Fluchtgefahr weiterhin in Schweizer Auslieferungshaft. Sein Anwalt Georges Kiejman deutete jetzt an, dass sein Mandant der Auslieferung an die USA zustimmen könnte: "Falls sich die Sache hinzieht, ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass sich Roman Polanski entschließt, in die USA zu reisen, um sich zu erklären."

Dort gebe es auch Argumente zu Polanskis Gunsten, sagte Kiejman. Er erinnerte an einen Brief, den das Opfer vor etwa zehn Jahren geschrieben habe. Darin schreibe die Frau, einen öffentlichen Prozess verkrafte sie vermutlich noch schlechter als Polanski. Außerdem habe sie dem Regisseur vollkommen und definitiv verziehen.

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