Süddeutsche Zeitung

Betrug an US-Hochschulen:"Desperate Housewife" soll Tochter den Uni-Zugang erschummelt haben

Lesezeit: 3 min

Von Johanna Bruckner, New York

In der Serie "Desperate Housewives" verkörperte Felicity Huffman acht Staffeln lang die Über­mutter Lynette Scavo. Die Bewohnerin der Wisteria Lane hatte zum Ende der erfolgreichen Fernseherzählung normunübliche fünf Kinder. Gleich zweimal war sie mit Zwillin­­gen schwanger, wobei Lynette ein Baby noch im Mutterleib verlor, nachdem sie hel­den­haft ein Nachbars­mädchen vor einem herabstür­zen­den Flugzeug gerettet hatte. TV-Alltag eben. Auch abseits der Fernsehfiktion ist Huffman offen­bar bereit, viel für ihre Kinder zu tun. Ein Umstand, der sie jetzt in den Mittelpunkt eines Bestechungs­skan­dals an amerikanischen Hochschulen kata­pul­tiert.

Am Dienstag erhoben Bundesstaatsanwälte Ankla­ge gegen insgesamt 50 Personen, die an ei­nem illegalen Multimillionen-Dollar-Geschäft rund um die Zulassung zu prestige­­träch­­tigen Colleges und Universitäten mitge­wirkt haben sollen. Es ging darum, Bewerbern mit unzureichen­dem Noten­schnitt oder mangeln­den athletischen Fä­hig­keiten den Zugang zu Elite-Unis wie Yale und Stanford zu ermög­lichen - gegen ein entsprechen­des Entgelt. Huffman gehört zu 33 beschuldigten Eltern, die das reguläre Auswahlsystem umgangen und ihren Kindern einen Hochschulzugang erkauft haben sollen. Sie wurde am Dienstag vorübergehend festgenommen.

Die Schauspielerin bezahlte demnach 15 000 Dollar, um die Antworten ihrer ältesten Toch­ter beim "Scholastic Assessment Test", kurz: SAT, nachträglich verbessern zu lassen. Vergleich­bar mit dem deutschen Numerus clausus gehört eine bestimmte Punktzahl beim SAT zu den Zu­gangs­voraussetzungen an vielen amerikanischen Hochschulen. Wie die Washington Post unter Be­rufung auf Gerichtsdokumente schreibt, erreichte Huffmans Tochter am Ende 1420 Punkte - 400 Punkte mehr als bei einem Probetest ein Jahr zuvor.

Aus durch­schnitt­lich sportlich Begabten wurden Topathleten

Kopf der kriminellen Unternehmung war der New York Times zufolge der Unternehmer William Sin­ger, Gründer des Edge College & Career Networks - eine Berater­firma, die einer wohlhabenden Klien­tel anbot, deren Nachwuchs auf die akademische Laufbahn vorzubereiten. Tatsächlich bedeutete das wohl in vielen Fällen: den Betrug bei den Zulassungstests zu organisieren und Trainer zu bestechen, um durch­schnitt­lich sportlich Begabte als vermeintliche Top­athle­ten an die Hochschulen zu bringen.

Singer rich­tete der Anklage zufolge extra eine Stif­tung ein, um die Zahlungen abzuwickeln - so konn­ten seine vermögenden Kunden die Ausgaben sogar noch als Spenden von der Steuer absetzen. Neben Huffman wird eine weitere Prominente beschuldigt: Lori Loughlin, bekannt aus der Sitcom "Full House", die in den 80er- und 90er-Jahren zu den populärsten Formaten im US-Fernsehen gehörte. Singers Firma, die auch unter dem Namen "The Key", also: "Der Schlüssel", firmierte, residier­te passenderweise im noblen kalifornischen Küstenort Newport Beach. Das könnte nicht nur der Holly­wood-Klientel gefallen haben - Newport war einst Schauplatz der intrigen­rei­chen Serie "O.C., California" ("The O.C."). Singer soll mit seiner Betrugsmasche zwischen 2011 und 2018 etwa 25 Millio­­­­nen Dollar ein­ge­­nommen haben. Ein Elternpaar habe ihn in Face­book-Aktien bezahlt, schreibt die Washington Post. Wert zum Zeitpunkt des Deals: mehr als 250 000 Dollar.

Singer bekannte sich am Dienstag vor ei­nem Gericht in Boston in allen Anklagepunkten schuldig ­- er kooperiert mit der US-Justiz. Die Kin­der als Nutznießer der elter­lichen Interven­tion ste­hen nicht im Fokus der Er­mitt­lun­gen. Sie sollen oft nichts von dem Betrug gewusst haben. "Die wahren Opfer in diesem Fall sind die hart arbeitenden Stu­den­ten", zitiert die New York Times den zuständi­gen Bundesstaatsanwalt in Massachusetts, Andrew Lelling. Sie seien im Zulassungsprozess ausge­bootet wor­den von "sehr viel weniger qualifizierten Studenten und deren Familien, die sich den Zugang einfach erkauft haben". Yale-Präsident Peter Salo­vey bezeichnete den aufgedeckten Betrug in einem Brief an den gesamten Campus als "Affront gegen die tief verwurzelten Werte unserer Universität: In­klu­sion und Fairness".

34 700 Dollar im Jahr für eine private Uni - Lebenshaltungskosten nicht eingerechnet

Das Zeugnis einer anerkannten Hochschule ist in den USA die Zugangskarte zu vielen großen Unter­neh­men und einem gutbezahlten Job. Die Plätze an den Top-Universitäten und -Colleges sind deshalb umkämpft - obwohl die Kosten für einen höheren Bildungsab­schluss gerade an privaten In­sti­tu­tionen in die Hunderttausende gehen können und viele Absolven­ten noch Jahre nach ih­rem Ab­schluss Schulden aus dem Studium zurück­bezah­len. Der gemeinnützigen Organisation College Board zufolge lagen die durchschnittlichen Gebühren für eine öffentliche Hochschule im akademischen Jahr 2017/2018 bei knapp 10 000 Dollar pro Jahr für Studenten, die in ihrem Heimat-Bundesstaat studierten. Für alle anderen bei etwa 25 600 Dollar. Wer eine private Hochschule besuchen wollte, musste noch einmal kräftig drauflegen: Hier wurden im Schnitt etwa 34 700 Dollar jährlich fällig. Lebenshaltungskosten noch nicht eingerechnet.

Für Singers Kunden wohl Peanuts. Ein Elternpaar soll dem Unternehmer 1,2 Millionen Dollar dafür bezahlt haben, dass er dessen Tochter als angeblichen Fußballstar nach Yale brachte. Und auch für Huff­man und Schauspieler-Ehemann William H. Macy ( Fargo) dürften die 15 000 Dollar eher nicht der Rede wert gewesen sein. Huffman soll als verzweifelte Hausfrau gegen Ende 325 000 Dollar pro Episode verdient haben. Davon hat sie nun ihre eigene Kaution bezahlen müssen: Die wurde auf 250 000 Dollar festgelegt. Huffman kam bereits am Dienstag wieder auf freien Fuß. Sie muss Ende März vor Gericht in Boston erscheinen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4365532
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.