Es war in der Halbzeitpause des Champions-League-Viertelfinales Real Madrid gegen FC Bayern München vor vier Jahren, Spielstand 0:0, als die Situation eskalierte: Dutzende spanische Polizisten in Einsatzmontur stürmten die Tribüne der Bayern-Anhänger und prügelten auf die Fußballfans ein. Auf junge Männer in roten Trikots gingen Schlagstöcke nieder, ein Fan hob seine Krücken schützend vor seinen Körper, auch er wurde von den behelmten Polizisten zur Seite gerempelt. Die Szenen, die sich am 18. April 2017 im Bernabéu-Stadion in Madrid zugetragen haben, sind auf Video dokumentiert. Nun könnten sie ein juristisches Nachspiel haben.
Am Mittwoch haben Anwälte der deutschen Fans in Madrid Klage eingereicht gegen 65 Polizisten der Unidades de Intervención Policial, einer Einsatztruppe, die in Spanien auch regelmäßig bei Demonstrationen eingesetzt wird. Fälle von Polizeigewalt sind dort nicht eben selten, die Fernsehserie "Antidisturbios", die sich dem Thema widmet, hat in Spanien einen gewissen Kultstatus.
Im Falle der verprügelten Bayernfans scheint die Lage zumindest aus Sicht des Vereins eindeutig zu sein: "Der FC Bayern empfindet das Vorgehen der spanischen Polizei als völlig deplatziert und maßlos. Der FC Bayern hat bereits Beschwerde bei der Uefa gegen das Vorgehen der spanischen Polizei eingelegt", verkündete der Verein am Tag nach dem Spiel, das auch wegen des Ausgangs (4:2 nach Verlängerung, Bayern war somit ausgeschieden) in unguter Erinnerung ist. Außerdem fordere man "eine Erklärung über die Vorgänge von der spanischen Polizei". Sogar an die Bundesregierung wandte sich Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge damals mit der Bitte um Aufklärung.
Willkürlich auf Rücken und Köpfe eingeschlagen
Doch eine Erklärung von spanischer Seite und vor allem die Entschädigung der Fans ständen bis heute aus, sagt Gonzalo Boye. Der spanische Anwalt hat zusammen mit seinem deutschen Kollegen Marco Noli die Klage vorbereitet. "Es handelte sich um einen klaren Angriff gegen die körperliche Integrität der Fans, gegen ihre Würde und ihre fundamentalen Rechte", so Boye. Die Polizisten hätten willkürlich auf Rücken und Köpfe eingeschlagen - ohne wirklichen Anlass, wie damals auch Augenzeugen berichteten.
In der aktuellen Klageschrift, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, treten fünf Betroffene auf; ihren Namen stehen die 65 Rückennummern der Polizisten gegenüber. Anwalt Marco Noli, der damals selbst im Stadion dabei war, hatte bereits Ende Mai 2017 in Deutschland drei Strafanzeigen gegen die spanische Polizei und die Verantwortlichen von Real Madrid gestellt. Er sprach von 20 verletzten Fans, von gebrochenen Fingern, Platzwunden, Prellungen und großflächigen Blutergüssen. Nach Auskunft von Boye wurde die Klage damals von der deutschen Staatsanwaltschaft an die spanische weitergeleitet. "Danach hörte man nie wieder etwas davon", so der Anwalt.
Laut Alexandra Schröder, Expertin für Polizeigewalt gegen Fußballfans, ist das nicht unüblich: Zum einen scheine Polizeigewalt gegen Fußballfans in Spanien häufiger vorzukommen als anderswo, sagt die Juristin, die zu dem Thema geforscht hat. Zum anderen verliefen Anzeigen gegen Polizisten dort häufig im Sand. Darüber, warum es überhaupt zu derartigen Exzessen in Stadien komme, könne sie nur mutmaßen: "Es könnte daran liegen, dass die deutsche Sprache für spanische Ohren härter klingt als gemeint", sagt Schröder. Oder am historischen Erbe des Franco-Regimes, das in Teilen von Polizei und Streitkräften in Spanien nach wie vor lebendig sei.