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Favoriten im Konklave:Zwei, die Papst können

Sie gelten bei der Papstwahl als absolute Favoriten: Angelo Scola, Erzbischof von Mailand, und Odilo Scherer, Erzbischof von São Paulo. Während der Italiener einst von Benedikt XVI. gegen einigen Widerstand gefördert wurde, ist der Brasilianer bereits bestens mit der Kurie in Rom vertraut.

Von Andrea Bachstein, Rom, und Peter Burghardt, Buenos Aires

Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass die beiden Favoriten Angelo Scola aus Mailand und Odilo Scherer aus São Paulo die meisten Stimmen erhalten werden. Beide gelten als fähige Verwalter, denen man eine Kurienreform zutraut. Der künftige Papst muss immerhin 77 Stimmen - die Zweidrittelmehrheit - auf sich vereinen. Wenn also 39 Kardinäle jemanden auf keinen Fall wollen, geht nichts mehr.

Die Hoffnung Italiens: Angelo Scola gilt als Günstling des alten Papstes

Er ist früher dran als die anderen Kardinäle, deretwegen in Rom am Sonntag die Vatikanspezialisten hin und her eilen zwischen den Messen der Papstwahl-Favoriten in ihren Titularkirchen. Angelo Scola, der Mailänder Erzbischof, tritt um 9 Uhr an den Altar der Basilika Santi XII Apostoli nahe der Piazza Venezia. Nur 600 Mitglieder zählt die Gemeinde, doch die barocke, relativ große Franziskanerkirche ist fast voll.

Scola verkörpert die Hoffnung vieler Italiener, der nächste Papst möge wieder einer der Ihren sein. Dass dieser Erzbischof - er hat auch in Freiburg und München studiert - einer ist, den Papst Benedikt als Mensch und Theologen besonders schätzt, könnte für die Kardinäle eine Rolle spielen. Benedikt hat dem Sohn eines Lkw-Fahrers das Erzbistum Mailand 2011 gegen einigen Widerstand übertragen. Zur römischen Kurie hält er eher Distanz, das könnte dem 71-Jährigen die Sympathie kurienkritischer Kardinäle bringen.

Einige Erwartungen an den nächsten Papst erfüllt Scola. Er bringt "Regierungserfahrung" mit als Oberhaupt einer riesigen Diözese mit fünf Millionen Katholiken. Er hat eine Laufbahn als Professor für Theologische Anthropologie vorzuweisen, und auch seine Rolle im interreligiösen Dialog könnte ihn empfehlen.

Scola gilt weder als besonders fortschrittlich noch als wirklich konservativ. Das Pastorale liegt dem Mann mit seiner kräftigen Gestalt unübersehbar. Während der Sonntagsmesse scheint er in sich zu ruhen, er geht in einer herzlichen Art auf die Menschen zu. Wie selbstverständlich vermag er aber auch Andacht zu erzeugen mit seinen Gesten. Die Liturgie sieht das Gleichnis vom verlorenen Sohn vor; für Scola ist das heutzutage der "hochentwickelte", doch "herumirrende Mensch", der Barmherzigkeit brauche. Wie Benedikt redet Scola von den Sündern in der Kirche und wünscht "Kraft zum Wandel".

Sein Vorgänger zählte zu den Kandidaten für die Papstwahl 2005, jetzt ist er selbst einer der Favoriten: Odilo Scherer, 63, Erzbischof von São Paulo. Er wurde dort 2007 Nachfolger von Cláudio Hummes und gehört zu den Aufsteigern der Kurie.

Der Brasilianer hat deutsche Wurzeln, sein Urgroßvater wanderte Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Saarland nach Südamerika aus. Geboren wurde Scherer 1949 als eines von elf Kindern im europäisch geprägten Bundesstaat Rio Grande do Sul. Den Kampf um die Gläubigen kennt er aus nächster Nähe, denn Brasilien ist eine belagerte Hochburg des Vatikans.

In keinem anderen Land gibt es so viele Katholiken, fast 65 Prozent der 195 Millionen Einwohner sind katholisch. Und Scherers Revier São Paulo ist eine der größten Diözesen der Erde. Doch die Gläubigen laufen in Massen zu den evangelikalen Freikirchen über. Odilo Scherer ist konservativ, wenn es um gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Abtreibung und Stammzellenforschung geht. Er hält Abstand zu den Befreiungstheologen, unterstützt aber die christliche Soziallehre.

Der polyglotte Kirchenmann studierte Theologie in Curitiba und Philosophie in Rom. Er spricht außer Portugiesisch auch Englisch, Französisch, Spanisch, Deutsch und Italienisch. Erst am Sonntag las er in Italiens Hauptstadt eine Messe in der Landessprache, unter den Gästen waren viele Journalisten.

Den Heiligen Stuhl kennt Brasiliens Hauptfigur beim Konklave aus seiner Zeit an der Kongregation für die Bischöfe zwischen 1994 und 2001 bestens. Danach war er Weihbischof von São Paulo und Generalsekretär der brasilianischen Bischofskonferenz, ehe ihn Papst Benedikt XVI. zum Erzbischof von São Paulo beförderte. Gerne benützt Scherer das Netzwerk Twitter. "Ich hoffe", schrieb er einmal, "dass der Himmelsweg genauso verstopft ist wie São Paulo."

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SZ vom 12.03.2013/vs
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