Süddeutsche Zeitung

Fauna vs. Klerus:Der Papst, von der Kreuzkröte verjagt

Zum Weltjugendtag sollten sich 2005 eine Million Menschen und das Kirchenoberhaupt in Hangelar treffen, daraus wird nun nichts.

Von Matthias Drobinski

Eine katholische Love-Parade soll es werden, mit einer Million Jugendlichen und mit Papst Johannes Paul II. als Superstar, wenn es sein Gesundheitszustand erlaubt. In einem Jahr soll der XX.Weltjugendtag nach Deutschland kommen, nach Hangelar bei Köln. Eigentlich.

Denn nun haben der Verband der Diözesen Deutschlands und das Erzbistum Köln erklärt, dass sie "als Austragungsort für den Abschluss des Weltjugendtags das Gelände in SanktAugustin-Hangelar nicht mehr in Betracht ziehen".

Auf dem ehemaligen Flughafengelände sollte der wichtigste Teil des Treffens stattfinden. Nun sind der Papst und eine Million Jugendliche ohne Ort. Und Schuld sind, kurz gesagt: die Kreuzkröte, der Kiebitz und die Bomben.

Die Massen von 20 gefüllten Fußballstadien

Es ist nicht einfach, einen Ort zu finden, der die Massen von 20 gefüllten Fußballstadien fasst, der die Sicherheit für den Papst garantiert und außerdem mit Bus, Bahn, Auto und Flugzeug gut erreichbar ist. So waren die Weltjugendtags-Planer vor einem Jahr erleichtert, als das Gelände in Hangelar gebucht war, der Architekturwettbewerb für Bühne und Altar lief.

Doch von Anfang an gab es Ärger um das Areal südlich der Domstadt. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Kreisverband Rhein-Sieg, sah Kreuzkröte und Kiebitz durch Bagger und Menschenmassen gefährdet; es entstand ein kleinteiliger Streit darum, ob es ausreiche, dass zum Ausgleich anderswo in Sankt Augustin Naturschutzgebiete ausgewiesen würden.

Während der Krötenstreit vor sich hin köchelte, begannen die Weltjugendtagsverantwortlichen zudem, sich mit der Geschichte des Platzes zu beschäftigen.

Seit 1912 ist er immer wieder als Militärflughafen genutzt worden, zu Weihnachten 1944 bombardierten 100 britische und im Januar darauf 63 amerikanische Bomber den Flugplatz. Mit großer Wahrscheinlichkeit stecken immer noch Bomben im Boden. Wer sollte sie räumen, vor allem: Wer sollte die Räumung bezahlen?

Den Umweltschützern ist die Wut der meisten Leute sicher

Irgendwann hob der Rhein-Sieg-Kreis die Umweltauflagen für das Areal auf, der BUND legte Widerspruch ein, das Kölner Verwaltungsgericht kündigte an, am 19.August zu entscheiden. Zu spät, findet nun die gemeinnützige Weltjugendtags-GmbH, die "juristischen und finanziellen Hürden" seien nicht mehr abschätzbar.

"Wir sind es leid", sagt Matthias Kopp, der Sprecher des Weltjugendtags. Immer wieder habe man Kompromisse angeboten, aber "eine solche Blockadehaltung wie von dieser einen BUND-Gruppe habe ich noch nie erlebt".

Die wiederum wirft dem Kreis und den Jugendtags-Vorbereitern vor, nur das Prestige im Auge zu haben, das eine Großveranstaltung bringt, und darüber die christliche Verantwortung für Pflanze und Tier zu vernachlässigen.

Nun dürfen sich die Umweltschützer als Sieger sehen und sich der Wut der meisten Leute in der Region sicher sein - der Weltjugendtag aber muss ein neues Gelände finden. "Es gibt schon einige Angebote", sagt Kopp, "aber vor September gibt es keine Entscheidung."

Man werde "auf jeden Fall" im Erzbistum Köln bleiben - war es doch Kölns Kardinal Joachim Meisner, auf dessen Initiative hin das Großtreffen an den Rhein kam. In Gefahr sei der Weltjugendtag nicht, sagt Kopp.

Aber ein herber Schlag für die Organisatoren des frommen Treffens ist es schon, sie müssen neu planen, Kompromisse eingehen, das Chaos bekämpfen.

Dabei hat das Event auch jetzt schon genug Sorgen: "Unter 100 Millionen Euro" werde das Treffen kosten, sagte Jugendbischof Franz Bode im Mai der SZ, was auch heißt: mehr als die 86 Millionen, auf die man hoffte.

Ein Batzen, der erst einmal hereinkommen muss - man baut verstärkt auf Sponsoren. Wobei die Verlegung des Geländes vielleicht sogar sparen hilft: "Die Kampfmittelräumung und die Umweltauflagen hätten in Hangelar viel Geld gekostet", sagt Kopp, "das wird anderswo hoffentlich günstiger."

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Quelle:
SZ vom 13.08.2004
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