Noch knapp einen Monat bis zur bedeutungsvollsten Wahl in den USA. Wer Ablenkung sucht von dem harten Wahlkampf zwischen Demokraten und Republikanern, für den lohnt sich der Blick auf eine andere Abstimmung im nördlichsten Bundesstaat der Vereinigten Staaten, in Alaska. Dort wird bereits am Dienstag (Mittwochnacht deutscher Zeit) gewählt, und zwar der dickste Bär im Katmai-Nationalpark.
In dem Beliebtheitswettbewerb zählt der Vorher-nachher-Effekt. Die Bären müssen sich in den Spätsommermonaten massiv Winterspeck anfressen, um über die kargen Monate zu kommen. Während der Winterruhe verlieren sie etwa ein Drittel ihres Körpergewichts. Deshalb fischen sie sich vorher am liebsten kiloweise Lachse aus dem Brooks River, der durch das Naturschutzgebiet fließt. „Fett sein ist für Bären ein Erfolg“, bringt es Rangerin Naomi Boak in einem Interview auf den Punkt. Durchschnittlich 400 Kilogramm wiegen sie mitsamt ihrem Winterspeck. Final-Anwärter Chunk (auf Deutsch „Klotz“) wird auf 550 Kilogramm Körpergewicht geschätzt. Von ursprünglich zwölf Anwärtern auf den Titel ist der 20-Jährige zusammen mit Grazer, Gully und Walker am Vortag der Entscheidung noch im Rennen.
Das klingt alles tierisch albern, doch die Community, die täglich die Webcams verfolgt, sich farbenfrohe Sonnenuntergänge über einsamen Seen schickt und über Performance und Hinterngröße ihrer Favoriten diskutiert, ist das wohltuendste Wahlvolk des gesamten Internets. Sie basteln Memes wie Wahlplakate für ihre Kandidaten – sind aber auch den Mitbewerbern gegenüber wohlgesinnt. „Diese Bären haben keine Ahnung, wie sehr ich sie liebe“, schreibt ein Nutzer zur Eröffnung der diesjährigen „Fat Bear Week“. Die „Fat Bear“-Community bildet eine schnell wachsende Wählergruppe: Fast 1,4 Millionen haben im vergangenen Jahr abgestimmt, von Demokratieverdrossenheit keine Spur. 2023 ist auch das Jahr, in dem Rekordhalter Otis zum vierten Mal Nase und Bauch vorn hat – er ist bekannt dafür, in fünf Stunden 42 Lachse verspeisen zu können.
Angefangen hat die „Fat Bear“-Wahl 2014, vor zehn Jahren. Damals war der Katmai-Park so gut wie unbekannt, 3000 Follower hatte er auf Facebook. Beobachten konnte man die Tiere, genau wie heute, per Webcam auf explore.org, und die Idee zum Wettbewerb, so erzählt er es bei Youtube, kam Ranger Mike Fitz, als er durch die Nutzerkommentare scrollte. User hatten Screenshots der Bären gemacht und nebeneinandergestellt, wie sie vor und nach dem Sommer aussahen – vor und nach dem großen Fressen. Und so verfiel er auf die Idee, die Nutzer abstimmen zu lassen, wer am stärksten zugenommen hat.
Die Lachsbestände schrumpfen seit Jahrzehnten
Nebenbei macht er Werbung für den Park und klärt über den Lebensraum der 2000 Braunbären und dessen Bedrohung durch den menschengemachten Klimawandel auf. Obwohl die Gegend eines der größten Lachsvorkommen der Welt hat, schrumpfen die Bestände wegen Überfischung seit Jahrzehnten. Weil es immer wärmer wird, ist der Lebensrhythmus der Bären gestört. Wie Forscher herausgefunden haben, erwachen sie früher im Jahr aus dem Winterschlaf und haben dann Probleme, schon etwas Essbares zu finden. Ein Grund mehr, jetzt noch mal ordentlich zuzulangen.