Falscher Rockefeller vor Gericht:Die Frau des Hochstaplers

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Reich, gebildet, charmant: Im Prozess gegen den Hochstapler Christian G. berichtet seine Frau, wie sie auf den falschen Rockefeller hereingefallen ist.

Er liebte das Leben auf großem Fuß - unter dem schillernden Namen "Clark Rockefeller". In Boston hat vor kurzem der Prozess gegen den mutmaßlichen Hochstapler Christian G. aus Oberbayern begonnen. Erster Prozesshöhepunkt heute: Seine Exfrau Sandra Boss sagte gegen den 48-Jährigen aus. G. ist unter anderem wegen Entführung der Tochter angeklagt, die er mit Boss hat.

Er liebte das Leben auf großem Fuß und legte sich einen der schillerndsten Namen Amerikas zu: Rockefeller. In Boston läuft der Prozess gegen den mutmaßlichen Hochstapler Christian G. aus Oberbayern. (Foto: Foto: AP)

Die Geschworenen hörten am dritten Verhandlungstag in Boston, wie sich die heute 42-Jährige Boss auf einer Kostümparty im Sommer 1993 in den charmanten Mann verliebte und ihm über lange Zeit Lügengeschichten über seine Herkunft, Bildung und seinen Beruf abkaufte.

"Eine glattzüngige Laus"

Erst als die Ehe zerbrach und Boss vor der Scheidung stand, schöpfte sie Verdacht und schaltete einen Privatdetektiv ein: "Ich wollte herausfinden, wer mein baldiger Ex-Ehemann wirklich ist", zitierte der Boston Globe aus der Zeugenaussage. Boss beantwortete dabei auch die Frage, warum sie G. alles glaubte, was er sagte: "Er gehörte zu den intelligentesten Menschen, die ich jemals kennengelernt habe."

G. wird neben dem Kidnapping unter anderem auch der gefährlichen Körperverletzung und falscher Namensangabe gegenüber einem Polizeibeamten beschuldigt. Jahrzehntelang hatte sich der Deutsche, der aus einem oberbayerischen Dorf stammt, mit verschiedenen Decknamen Zugang zu elitären Kreisen in den USA verschafft. Die US-Behörden waren ihm aber nicht wegen der falschen Identitäten auf die Spur gekommen, sondern wegen eines dramatischen Sorgerechtsstreits: Im Sommer 2008, nach der Scheidung von Boss, hatte er seine damals siebenjährige Tochter Reigh mit Waffengewalt in Boston entführt.

G. weist die Vorwürfe zurück. Seine Anwälte haben zum Auftakt des Prozesses angekündigt, dass sie im Verfahren Beweise für die geistige Unzurechnungsfähigkeit und damit Schuldunfähigkeit vorlegen werden. Nach ihrer Darstellung leidet der Angeklagte an Wahnvorstellungen und einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Zum Zeitpunkt der Entführung der kleinen Tochter sei er schlicht verrückt gewesen. Der Boston Globe schreibt indessen, die Zeugenaussage der Exfrau habe anscheinend die Argumentation der Anklage gestützt, dass G. "nicht geisteskrank ist, sondern eine glattzüngige Laus".

Attraktiv, charmant, hochbegabt und reich

Der Deutsche war 1978 als Schüler in die USA eingereist und lebte dort nach Angaben der Behörden seitdem unter verschiedenen Namen. Boss schilderte, sie sei beim Kennenlernen sofort von ihm eingenommen gewesen. Der Aussage zufolge erzählte ihr der spätere Ehemann, dass er in einem reichen New Yorker Stadtteil aufgewachsen sei, als Kind nach einem Treppensturz vorübergehend sein Gedächtnis verloren und dann als Hochbegabter schon mit 14 an einem Ausbildungsprogramm der renommierten Yale-Universität teilgenommen habe. Er verfüge auch über eine Menge Geld aus einem Erbe. Er sei sehr attraktiv gewesen, charmant und höflich, sagte die Zeugin. "Ich mochte ihn."

Nach ersten guten Ehejahren ging es Boss zufolge dann bergab, ihr Mann sei jähzornig gewesen, habe sie überwacht und kontrolliert. Und nie habe er einen Cent an Einkünften nach Hause gebracht. Nach und nach sei die Ehe unerträglich für sie geworden.

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