Süddeutsche Zeitung

Mord an Briten Stephen Lawrence:Polizei wollte Opferfamilie in Verruf bringen

Ein junger Mann wird erstochen. Die Polizei macht ihre Arbeit nicht ordentlich, auch, weil das Opfer schwarz und seine Mörder weiß sind. Als wäre der Fall Stephen Lawrence nicht schon tragisch genug, packt jetzt ein ehemaliger verdeckter Ermittler aus. Er war auf die Lawrence-Familie angesetzt.

Am 22. April 1993 umringt eine Gruppe Jugendlicher den 18-jährigen Stephen Lawrence. Sie stechen den dunkelhäutigen Teenager nieder. Der versucht zu fliehen, doch nach etwa 100 Metern bricht er zusammen und stirbt. Fast 20 Jahre vergehen, bis die Täter verurteilt werden. Das rassistisch motivierte Verbrechen ist zu einem der wichtigsten Kapitel der britischen Kriminalgeschichte geworden. Und jetzt um ein paar heikle Absätze reicher.

Im Guardian berichtet der ehemalige verdeckte Ermittler Peter Francis, dass er nach der Tat, die ein Jahr später als ungelöst zu den Akten gelegt wurde, in Lawrence' Umfeld eingeschleust worden sei, um Material zu sammeln, das die Familie in Misskredit bringen könnte. Die Angehörigen des Opfers und ihre Unterstützer glaubten nicht an den für die Einstellung der Ermittlungen genannten Grund - Mangel an Beweisen - und kämpften für die Aufklärung des Falls.

Der frühere Undercover-Polizist Francis sagte dem Guardian nun: "Sie wollten, dass diese Kampagne aufhört, es wurde befürchtet, dass sie sich zu einem Elefanten entwickelt." Dem Bericht zufolge wurde der Ermittler als Anti-Rassismus-Aktivist in eine Organisation namens Youth Against Racism eingeschleust. Seine Aufgabe sei es gewesen, Informationen zu sammeln, die "diese Kampagne diskreditieren". Und weiter: "Während meines Einsatzes war ich ständigem Druck ausgesetzt, alles herauszufinden."

Doch damit nicht genug: Francis' Vorgesetzte verheimlichten seinen Einsatz dem Bericht zufolge wenige Jahre später absichtlich den Ermittlern des Macpherson-Kommission. Von 1997 bis 1999 untersuchte dieses Gremium die Polizeiarbeit im Lawrence-Fall und zog vernichtende Schlüsse. Unter anderem befand die Kommission, dass die Metropolitan Police institutionell rassistisch war und sprach 70 Empfehlungen für Reformen in der Polizei aus - die auf andere staatliche Institutionen ausgeweitet werden sollten. Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses fand große Beachtung.

Bis die Täter selbst vor Gericht kamen, vergingen noch einmal etwa zehn Jahre: Im Januar 2012 wurden die beiden Weißen Gary Dobson und David Norris aufgrund neuer forensischer Beweise des rassistisch motivierten Mords schuldig gesprochen. Ein Berufungsantrag gegen ihre lebenslangen Haftstrafen wurde im August vergangenen Jahres abgewiesen.

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