Fall Kardelen:Ali K. sieht sich als Opfer

Prozessbeginn im Fall der achtjährigen Kardelen, die in Paderborn ermordet wurde. Vor einem türkischen Gericht hat der mutmaßliche Täter Ali K. die Vorwürfe bestritten - und sieht sich als Opfer

Ali K. sieht sich nicht als Täter, sondern als Opfer - als Opfer einer Verschwörung. Nach dem Tod der kleinen Kardelen in Paderborn Anfang des Jahres hatte die nordrhein-westfälische Polizei aufgrund von DNA-Spuren und anderen Hinweisen den 29-jährigen Türken als mutmaßlichen Mörder des achtjährigen Mädchens ermittelt.

Fall Kardelen: Ali K. vor dem Gerichtssaal in Söke.

Ali K. vor dem Gerichtssaal in Söke.

(Foto: Foto: AP)

K. floh in die Türkei, wo er festgenommen wurde und seit Freitag vor Gericht steht. Dort gab er nun seinem Schwiegervater Kadir Ayaz die Schuld am Tod des Mädchens. Ayaz habe ihn nach dem Mord an Kardelen gezwungen, ihm bei der Beseitigung der Leiche zu helfen, sagte K.

Deshalb habe er selbst zusammen mit seiner Frau die Leiche von Kardelen aus dem Haus geschafft und an den Möhnesee gebracht, wo das Mädchen später gefunden wurde. Mit 2000 Euro sei er dann auf Geheiß von Ayaz in die Türkei gereist.

Auf den Teufel gehört

Sein Schwiegervater habe im der Familie von Kardelen im Streit gelegen, sagte K. Als er selbst am Tag der Tat nach Hause gekommen sei, habe er Ayaz mit der Leiche des Kindes vorgefunden. Ayaz habe ihm gesagt, er nehme ihm seine Ehefrau weg, wenn er ihm nicht helfe.

In K.'s Haus waren Spuren der Tat gefunden worden. Ayaz hatte im Februar bei der Festnahme des Verdächtigen in der Türkei nach eigenen Angaben eine wichtige Rolle gespielt. Der ebenfalls in Deutschland lebende Schwiegervater war auf eigene Faust in die Türkei gereist, um bei der Fahndung zu helfen. K. ging der Polizei schließlich im westtürkischen Didim ins Netz und wurde im Gefängnis der nahen Stadt Söke inhaftiert; der Prozess gegen ihn findet deshalb in Söke statt.

Er habe sich damals ohnehin den Behörden stellen wollen, sagte K. am Freitag vor Gericht. Der Richter fragte den Angeklagten misstrauisch, warum er erst jetzt mit der völlig neuen Version des Tathergangs komme und dies nicht bereits bei der Festnahme zu Protokoll gegeben habe. Druck von Schwiegervater, lautete die Antwort. K.'s Verteidiger verlangte, nach der Aussage seines Mandanten müssten die DNA-Spuren erneut überprüft werden.

Unklar blieb auch am Freitag, welche Rolle K.'s Frau Zehra in dem Fall gespielt hat. Sie hatte ihren Mann offenbar mit der Leiche an den Möhnesee begleitet und war anschließend mit ihm in die Türkei geflogen. Seitdem ist sie nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten.

Ayaz hatte nach K.' Festnahme im Februar den Verdacht geäußert, der Mordverdächtige wolle seine Tochter in den Fall hineinziehen. Um der Frage nach ihrem Verbleib nachzugehen, will das Gericht jetzt von den Grenzbehörden feststellen lassen, ob Zehra K. nach ihrer Einreise nach dem Mord die Türkei wieder verlassen hat oder nicht. Sollte sie noch im Land sein, wird sie vorgeladen und falls nötig von der Polizei gesucht.

Falls sie nach Deutschland zurückgekehrt ist, soll sie dort von den Behörden verhört werden.

Sie hat in einer früheren Vernehmung eine ganz andere Version zu den Akten gegeben als Ali K. nun vor Gericht. Der Richter trug aus der Aussage vor. Demnach habe ihr Mann sie kreidebleich empfangen. "Ich habe auf den Teufel gehört", habe ihr Mann gesagt. Die Leiche des Mädchens war in der gemeinsamen Wohnung. Sie habe ihn gefragt, ob er sich an dem Mädchen vergangenen habe. Dies habe er bestätigt. Außerdem habe K. früher schon Kinderpornos geschaut und sich Gewaltfantasien hingegeben. Einmal habe es im Fernsehen eine Vergewaltigungsszene gegeben und Ali K. habe gesagt, er wäre gern einmal in der Rolle des Vergewaltigers.

Der Prozess gegen K. wurde derweil auf den 10. Dezember vertagt. Für die aus Paderborn zum Prozess nach Söke angereisten Angehörigen von Kardelen besteht an K.'s Schuld kein Zweifel. "Wir wollen die Todesstrafe", riefen einige Verwandte des Mordopfers auf dem Korridor vor dem Gerichtssaal.

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