Fall Kampusch:CSI Wien ermittelt

Die Entführung Natascha Kampuschs lässt Österreich nicht los. Bis heute ranken sich Gerüchte um mögliche Komplizen, eine angebliche Schwangerschaft und einen Pornoring. Mit Hilfe des FBI und des Bundeskriminalamts wollen die Behörden den Fall nun noch einmal aufrollen. Eine Verzweiflungstat.

Cathrin Kahlweit, Wien

Die Nachricht klingt nach CSI Miami, nach Männern mit dunklen Sonnenbrillen, schnellen Autos und feiner Technik, die Worte FBI und Steering Comittee erwecken den Eindruck von Superprofessionalität und internationaler Expertise - dabei ist die Entscheidung der österreichischen Regierung, im Entführungsfall Natascha Kampusch jetzt Cold-Case-Spezialisten aus dem Ausland zu holen, wohl vor allem eine Verzweiflungstat. Ein Manöver zur Gewissensberuhigung, zur Selbstvergewisserung vielleicht, vor allem ist sie ein weiterer Versuch, die vielen kritischen, ja feindseligen Stimmen zum Verstummen zu bringen, die bis heute sagen: Im Fall der entführten und jahrelang eingesperrten Natascha Kampusch wurde schlampig ermittelt und fahrlässig geurteilt.

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1998 wurde Natascha Kampusch auf dem Schulweg entführt - und jahrelang im Keller ihres Peinigers gefangengehalten. Das Bild zeigt den Grundriss des Verlieses.

(Foto: AFP)

Mal um Mal war die Ermittlungsarbeit von Kommissionen der Polizei, der Staatsanwaltschaft, des Parlaments überprüft worden, jede Aussage, jede Vernehmung, jedes Beweismittel war gedreht und gewendet worden, und doch hielten sich die Gerüchte: Da wurde etwas unter den Tisch gekehrt, die Behörden schützten sich selbst, oder einige der ihren. Staatsanwälte ermittelten gegen Staatsanwälte wegen Amtsmissbrauchs, zuletzt hatte sich ein Geheimausschuss des Nationalrats über die Akten gemacht. In dem Bericht, den er Ende Juni vorlegte, wurde festgestellt, dass Zweifel am Tathergang blieben - und zur Hinzuziehung ausländischer Kriminaler geraten.

Und so wird es nun gemacht. Am Freitag erging von Justizministerin Beatrix Karl und ihrer Kollegin, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die Weisung, einen Lenkungsausschuss zu gründen, in dem neben Fachleuten aus Österreich sogenannte Cold-Case-Spezialisten der US-Ermittlungsbehörde FBI sowie des Wiesbadener Bundeskriminalamtes sitzen werden. Sieben Personen sollen da zusammenarbeiten, die darauf geeicht sind, alte Fälle noch einmal zu durchleuchten auf Ungereimtheiten und Fehler, weitere 14 arbeiten ihnen konkret zu.

Ermittlungen bis Ende Dezember

Bis Ende Dezember hat die Truppe Zeit, dann soll die CSI Wien öffentlich sagen, ob etwas dran ist an den ewigen Geschichten: ob Wolfgang Priklopil - jener Mann, der Natascha Kampusch 1998 auf dem Schulweg gefangen und acht Jahre lang in seinem Haus festgehalten hatte - einen Mittäter hatte. Ob es einen Pornoring gab, der sich an Bilder von Natascha delektierte, ob sogar Polizisten oder Richter davon wussten. Ob Kampusch ein Kind hatte. Oder ob Natascha Kampusch nach all den Jahren so etwas wie Ruhe finden darf.

Müde, als Lügnerin hingestellt zu werden

Bei der Staatsanwaltschaft sowie in den zuständigen Ministerien ist man sich zwar ziemlich sicher, dass wenig herauskommen wird; schließlich, sagt die Sprecherin der österreichischen Justizministerin, Sabine Mlcoch mit viel Zurückhaltung, sei dies wohl eines der am gründlichsten durchleuchteten Strafverfahren der vergangenen Jahrzehnte. Aber "um der Transparenz willen und um für die Zukunft zu lernen", mache man jetzt die Akten noch einmal auf. Die Botschaft dahinter: damit endlich Schluss ist. Denn das erhofft man sich in der Regierung insgeheim von der Evaluierungskommission: Wenn selbst Außenstehende, Ausländer, sagen, da wurde nichts übersehen, dann glauben es vielleicht auch die Österreicher.

Kampusch schreibt Autobiografie

Natascha Kampusch auf einem Archivbild aus dem Jahr 2009: Kann die heute 24-Jährige nach all den Jahren so etwas wie Ruhe finden?

(Foto: dpa)

Natascha Kampusch selbst hatte zuletzt im Frühjahr darum gebeten, die Sache nicht ein weiteres Mal aufzurollen. Damals war aus dem Unterausschuss des Nationalrats, der sich mit den Ermittlungen befasste, kolportiert worden, die Ermittlungsfehler der Polizei von 2006 seien so massiv, dass man "ausschließen" könne, den "Aktendeckel noch einmal zuzumachen". In der Folge hatte es einen medialen Wirbel, Sondersendungen, Talkshows und Interviews rund um die Causa Kampusch gegeben, und wieder einmal hatten alle, die schon immer wussten, wie es wirklich war, ihre Version zum Besten gegeben.

Auch Kampusch, mittlerweile 24, ging damals an die Öffentlichkeit und beteuerte, dass sie selbst am meisten an der Wahrheit interessiert sei, dass sie es allerdings müde sei, als Lügnerin hingestellt zu werden. Ähnliches dachte sich jetzt wohl auch Justizministerin Beatrix Karl, die zur Berufung der Cold-Case-Spezialisten sagte: "Wir haben unsere Experten für die neuerliche Überprüfung zur Verfügung gestellt und wollen damit auch aufzeigen, dass wir nichts zu verbergen haben."

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