Fall Jörg Kachelmann:Tempo für den Wettermann

Schuldig oder nicht? Im Fall von Jörg Kachelmann bleibt diese Frage ungeklärt. Eine Entscheidung über die Haftdauer des TV-Moderators ist dringend geboten.

Hans Holzhaider

Wenn ein Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren in Untersuchungshaft genommen wird, dann bekommt seine Akte auf dem Deckelblatt in sehr großen, roten Lettern die Aufschrift "HAFT". Damit soll allen Bearbeitern bei Staatsanwaltschaft und Gericht nachdrücklich in Erinnerung gerufen werden, dass dies eine eilbedürftige Angelegenheit ist.

Kachelmann bleibt in Haft

 Meteorologe Jörg Kachelmann geht nach einem Haftprüfungstermin über den Hof des Amtsgerichts in Mannheim zu einem Gefangenentransporter. Das Medieninteresse ist an diesem Tag groß.

(Foto: ag.ddp)

Es gibt keinen schwereren Eingriff in die Freiheitsrechte eines Bürgers, als ihn einzusperren. Damit wird er nicht nur aus seiner privaten und beruflichen Existenz gerissen. Damit wird der Welt auch signalisiert, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zumindest dem ersten Anschein nach so substantiell sind, dass man sich dieser Person versichern muss, damit sie sich nicht der Verfolgung entzieht.

Das trifft jedermann schwer, aber für einen, der im Rampenlicht steht wie Jörg Kachelmann, sind die Folgen womöglich noch katastrophaler und nachhaltiger als für einen x-beliebigen Eisverkäufer oder Straßenbahn-Fahrer. Kachelmanns berufliche Existenz ist vernichtet, ganz gleich, wie das Vergewaltigungsverfahren gegen ihn enden wird. Er wird nie mehr im Fernsehen seine Späße über Wolken, Wind und Wetter reißen können, auch wenn er juristisch in vollem Umfang rehabilitiert würde.

Umso eifriger hätte sich die Justiz darum bemühen müssen, dass der Name des prominenten Beschuldigten zumindest nicht von ihrer Seite durchsickert, auch wenn man realistischerweise nicht erwarten konnte, dass die Verhaftung eines Mannes lange geheim bleibt, dessen Gesicht täglich von Millionen gesehen wird. Umso berechtigter aber ist auch Kachelmanns Anspruch darauf, dass das Verfahren mit größtmöglicher Beschleunigung geführt wird, dass entlastende Indizien gewürdigt und bei der Entscheidung über die Haftfortdauer berücksichtigt werden.

Das Glaubwürdigkeitsgutachten über die Aussagen der Belastungszeugin ist ohne jeden Zweifel ein solches Indiz, und dass nach dem Vorliegen dieses Gutachtens nun schon wieder vier Wochen ins Land gezogen sind, ohne dass das zuständige Gericht zu einer Entscheidung gekommen ist, darf man nicht nur aus Sicht der Verteidigung einen Skandal nennen. Bei einer solchen Sachlage muss ein Gericht fähig sein, binnen weniger Tage "hü" oder "hott" zu sagen.

Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass nicht nur der Beschuldigte, sondern auch das - mutmaßliche - Opfer Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Justiz hat. Bei einer Anzeige wegen Vergewaltigung ist es eher die Regel als die Ausnahme, dass der Beschuldigte die Tat bestreitet. Ein Glaubwürdigkeitsgutachten ist ein Hilfsmittel, dessen sich das Gericht bedienen kann; es ersetzt niemals die eigene Entscheidungsfindung, und wenn es, im Sinne des Beschuldigten, positiv ausfällt, ist es auch noch lange kein Beweis für dessen Unschuld. Allerdings muss, und das gilt auch für Jörg Kachelmann, in einem Rechtsstaat niemand seine Unschuld beweisen.

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