Fall Jörg Kachelmann:Freilassungs-Feier mit dem Gutachter

Die Party nach seiner Haftentlassung könnte für Jörg Kachelmann zum PR-Fiasko werden: Ein Gutachter, der die Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers angezweifelt hatte, soll mitgefeiert haben. Nicht der einzige Image-Flop.

Er tritt in einem weißen Langarm-Shirt aus dem Gefängnis vor die Presse. Er gibt in ersten Interviews den unschuldig Inhaftierten, den Promi "vierter Garnitur", der trotz allem mit Mitgefangenen und Wärtern gleichermaßen gut zurechtkam. Und er äußert sogar Verständnis für die Frau, wegen der er die vergangenen vier Monate in Untersuchungshaft saß.

Jörg Kachelmann, dpa

Meinungskampf an allen Fronten: Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft gibt der wegen Vergewaltigung und Körperverletzung angeklagte Wettermoderator Jörg Kachelmann Interviews - unter anderem dem ARD-Magazin "Brisant".

(Foto: dpa)

Jörg Kachelmann hat den Kampf um die öffentliche Meinung und sein Image aufgenommen.

Doch glaubt man einem Bericht der Bild-Zeitung, geht der wegen Vergewaltigung und Körperverletzung angeklagte Wettermoderator sogar noch weiter: Ein Psychologe, der im April für die Verteidigung ein Gutachten über das mutmaßliche Opfer erstellt hatte, sei am Abend der Freilassung Gast auf einer Party Kachelmanns gewesen, schreibt das Blatt. Professor Tilman Elliger, der die Aussagen von Sabine W. massiv in Zweifel gezogen hatte, soll nach Bild-Angaben auch bei dem im September beginnenden Prozess vor dem Landgericht Mannheim aussagen.

Ein Interessenkonflikt? Der Gutachter wehrt sich: "Nein. Das war auch keine Party. Ich habe einen Espresso getrunken und bin wieder gegangen", sagte er der Zeitung. Er sei von Kachelmanns Anwälten eingeladen worden, um "Herrn Kachelmann kurz persönlich kennenzulernen".

Alice Schwarzer: "Ein ziemlicher gestörter Mensch"

Ein Gutachter, der sich vorwerfen lassen muss, befangen zu sein - nicht der einzige Rückschlag für die Kachelmann'sche PR-Offensive. Am vergangenen Sonntag schoss Frauenrechtlerin Alice Schwarzer in einer Talkshow scharf gegen den TV-Meteorologen: Wenn es wahr sei, dass Kachelmann mit mehreren Frauen gleichzeitig Beziehungen geführt und diesen die Ehe versprochen habe, sei er "ein ziemlicher gestörter Mensch, der unter anderem in Therapie gehört ", sagte sie bei Anne Will in der ARD.

Eine Anschuldigung, die offenbar selbst an der Gelassenheit eines Eidgenossen kratzt: "Eine Stunde nach der Will-Sendung (...) mailte Jörg Kachelmann an meine Sekretärin", berichtet Alice Schwarzer auf ihrer Homepage. Er habe sich, so die Emma-Chefredakteurin, für einen Redaktionsbesuch beworben, um zu berichten, "wie sich vier Monate unschuldig im Knast so anfühlen".

Ob sich Schwarzer auf diesen Vorschlag des wortgewandten Wetterexperten einlässt, erscheint fraglich: Zwar habe sie ihn in der Tat immer geschätzt, schreibt die 67-Jährige weiter, doch "auch nette Männer vergewaltigen manchmal, Kollege Kachelmann".

Die Medienschlacht in der Causa Kachelmann ist in vollem Gange - und ob sie dem Angeklagten am Ende das gewünschte Ergebnis bringt, ist offen. Vor Gericht jedenfalls könnte Kachelmann sein offensives Verhalten auch schaden, meinen Experten. "Indem eine Art medialer Volksgerichtshof entsteht, wird die Unbefangenheit der Richter beeinflusst", sagte Strafverteidiger Wolfgang Kubicki der taz.

Der FDP-Politiker hat selbst Erfahrung mit der Verteidigung Prominenter: Im VW-Korruptionsprozess hatte er den ehemaligen Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer verteidigt.

Auch wenn er das Bedürfnis Kachelmanns verstehen könne, sein öffentliches Bild zurechtzurücken und sich als unschuldig zu präsentieren, das öffentliche Mitteilungsbedürfnis des Moderators bewertet Kubicki als "äußert gefährlich": "Jede Interviewäußerung von Herrn Kachelmann kann im Verfahren gegen ihn verwendet werden. Da muss er vor Gericht nur in ein oder zwei Sätzen etwas Abweichendes sagen - und schon unterminiert das seine Glaubwürdigkeit", sagte er der Zeitung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: