Fall Dennis aufgeklärt: Reaktionen:"Dieses Dorf war erschüttert"

Schock und Erleichterung: In der Heimatstadt des getöteten Dennis können die Menschen noch kaum glauben, dass sein mutmaßlicher Mörder gefasst ist. Die bisherigen Nachbarn des Verdächtigen in Hamburg erschreckt die Nachricht.

"Maskenmann" und "Phantom": Der mutmaßliche Mörder von Dennis war fast zehn Jahre ein schrecklicher Unbekannter, der scheinbar keine Spuren hinterließ bei seiner Mordserie. Nun sitzt der Mann in Haft, die Fahndungsarbeit hat endlich Erfolg - und der Tod von Dennis und mindestens zwei weiteren Jungen scheint aufgeklärt. "Wir sind erleichtert", sagte Uwe Jordan, Leiter der Polizei Verden, bei der der Pressekonferenz der Polizei.

Mit Erleichterung wurde die Festnahme eines Verdächtigen auch in Osterholz-Scharmbeck aufgenommen, vor allem im Süden der 30.000-Einwohner-Stadt, wo der neunjährige Junge wohnte. Anfang September 2001 wurde Dennis aus einem Schullandheim im nahegelegenen Wulsbüttel entführt, zwei Wochen später tot aufgefunden.

An die Zeit unmittelbar nach der Tat kann sich der Bürgermeister Martin Wagener, SPD, noch gut erinnern. "Damals herrschte eine sehr depressive Stimmung hier", sagte er. "Solange man den Täter nicht hat, schwingt immer die Befürchtung mit, der läuft immer noch frei herum, da kann wieder etwas passieren", sagt der Politiker. Am wichtigsten sei die Nachricht für die Familie. "Die können da wieder ihren Frieden finden."

Vor dem zweistöckigen, rotverklinkerten Elternhaus deutet äußerlich zunächst nichts darauf hin, dass nun nach fast zehn Jahren die erlösende Nachricht von der Aufklärung des Falls in der Welt ist. Eine Nachbarin, die gerade an dem Haus vorbei eilt, hat die Nachricht gerade erst vernommen. Sie glaube, dass das alles für die Eltern auch nach so langer Zeit noch "sehr schlimm ist", sagt sie und wirft einen Blick zu dem Haus hinüber.

Der Ermittlungserfolg der Kripo spricht sich gerade erst herum. Er sei nun doch beruhigt, sagt Heizungsbauer Olaf Weder. Gerade als Vater von drei Kindern im Alter von fünf bis neun Jahren habe er doch die ganze Zeit immer an den Fall gedacht. Als sein Ältester jetzt auf Klassenfahrt gehen sollte, sei das alles besonders hochgekommen.

Gerda Klose aus dem Nachbarort Ritterhude sagt, dass der Täter jetzt offenbar gefasst worden sei, zeige, dass die Polizei "immer am Ball geblieben" sei, um das Verbrechen aufzuklären. Sie habe früher mal ganz in der Nähe der Familie gewohnt, da habe Dennis noch im Kinderwagen gesessen. Sie habe den Jungen zwar nicht direkt gekannt, aber es sei einfach "wunderbar", dass der Täter jetzt endlich gefasst sei. Die Erleichterung sei überall groß, sagt auch eine Bäckereiveräuferin.

Schließlich sei die Familie von Dennis im Ort bekannt und viele erinnerten sich auch noch an den Jungen. Was damals geschah, sei "einfach schrecklich". Eine Kundin im Bäckerladen fügt hinzu: Es sei immer besonders schlimm, wenn gerade die Schwächsten in der Gesellschaft, die Kinder, Opfer von Verbrechen würden. Die Festnahme des mutmaßlichen Täters werde deshalb eine Beruhigung für viele Eltern sein.

Erschütterung in der Hamburger Nachbarschaft

Einem, dem es so geht, ist Florian Vollmers aus Bremen, dessen siebenjährige Tochter demnächst ins Schullandheim nach Wulsbüttel fährt. Die Entscheidung, ausgerechnet dorthin zu fahren, wo Dennis entführt wurde, sei bei einem Elternabend heftig diskutiert worden. Zwar seien die Sicherheitsmaßnahmen bekannt, aber bei vielen Eltern sei dennoch ein "mulmiges Gefühl" geblieben. Nun aber sei er erleichtert, sagt Vollmers.

Moerder des neunjaehrigen Dennis in Untersuchungshaft

Hamburg: Polizisten durchsuchen das Wohnhaus des mutmaßlichen Mörders.

(Foto: dapd)

Der mutmaßliche Täter, ein 40-jähriger gebürtiger Bremer, hat gestanden, für drei Morde weitere rund 40 Fälle von sexuellen Missbrauchs in Wohnhäusern, Zeltlagern und Schullandheimen verantwortlich zu sein - in Wulsbüttel und anderswo. Als Pädagoge hatte er offenbar leichten Zugang zu Kindern.

Im Schullandheim, in dem er wohl Dennis entführte, habe es die ersten drei, vier Jahre nach der Tat Umsatzeinbrüche um 70 bis 80 Prozent gegeben, sagt Sönke Hofmann, Vorsitzender der Einrichtung. Wenn sich der Tatverdächtige tatsächlich als Täter erweise, wäre das "ein Mühlstein, der von einem abfällt", sagt er und fügt hinzu: "Wir machen seit zehn Jahren einen Marathon mit Bleischuhen." Nach dem Vorfall seien die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden, "mit Alarmsystem und Schockbeleuchtung". Er könne den Ermittlungserfolg nun "kaum glauben, nach zehn Jahren", sagt Hofmann.

Das schlimme Ereignis von damals wirkt in Wulsbüttel bis heute nach. Auch wenn man die Kinder zur Selbstständigkeit erziehen wolle, würde diese hier noch immer zum Bus gebracht, sagt Jessica Schnibbe. Nun scheine der Fall zwar aufgeklärt, die Gefahr für Kinder sei aber "generell nicht gebannt". Seit dem Fall Dennis sei man einfach sensibler und vorsichtiger geworden. Gleichwohl überwiegen in Wulsbüttel Erleichterung und Freude über die Nachricht von der Festnahme. "Was meinen Sie, was das für eine Belastung hier war", sagt Karin Klein und fügt hinzu: "Dieses kleine, verträumte Dorf war erschüttert."

Erschüttert ist aber auch die Nachbarschaft, in der der mutmaßliche Mörder zuletzt wohnte - in Hamburg-Wilstorf. "Wir können es einfach nicht fassen", sagte ein älterer Mann, der mit seiner Frau im selben Haus Wand an Wand mit dem dreifachen Kindermörder wohnte. Er beschreibt den mittlerweile in U-Haft sitzenden Mann als unauffällig. "Man hat von ihm nichts gehört. Wir können nichts sagen. Er ist vielleicht ein Eigenbrötler", sagt der Nachbar am Freitag und ergänzt: "Wir bewundern die Polizei, dass die es nach so langer Zeit noch rausfinden."

Diese präsentierte die bisherigen Ermittlungsergebnisse mit großem Aufgebot - und steht doch weiterhin am Anfang der Aufklärung: Ab 2004 konnte die Polizei dem Mann bislang keine Straftaten mehr zuordnen. Bei Sexualstraftaten gebe es aber eine hohe Dunkelziffer, deshalb werde weiter ermittelt. "Wir sind weiterhin auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen", sagte Karsten Lemke vom Zentralen Kriminaldienst. Laut Staatsanwaltschaft soll der Prozess gegen den Mann noch in diesem Jahr beginnen.

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