Fall Dennis:Eltern erneut vor Gericht

Der Fall des verhungerten sechsjährigen Dennis beschäftigt noch einmal das Landgericht Cottbus. Kinderschützer hoffen auf eine neue Beweisaufnahme.

Der Fall des verhungerten Dennis beschäftigt noch einmal das Cottbuser Landgericht. Eineinhalb Jahre nach dem ersten Schuldspruch wegen Mordes durch Unterlassen verhandeln andere Richter von diesem Freitag an erneut gegen die 46 Jahre alte Mutter und ihren 40 Jahre alten Ehemann, in deren Kühltruhe die verweste Leiche des Sechsjährigen im Juni 2004 gefunden worden war.

Es geht diesmal jedoch nur um das Strafmaß, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) auf Antrag der Verteidigung das damalige Urteil einer lebenslangen Freiheitsstrafe aufgehoben hatte.

Der BGH entschied im März 2007, dass die Angeklagten nur wegen Totschlags und Kindesmisshandlung zu verurteilen sind und nicht wegen Mordes. Den Eltern sei Grausamkeit als Mordmerkmal nicht ausreichend nachgewiesen worden, denn sie könnten auch aus Gedanken- und Hilflosigkeit untätig geblieben sein.

Dennis habe unter einer Essstörung gelitten und in den Monaten vor dem Tod keine "erheblichen Schmerzen oder Qualen" gehabt. Diese Einschätzung löste damals Unverständnis und Protest bei Kinderschutzorganisationen, der Polizeigewerkschaft sowie Politikern und Bürgern aus.

Bei dem vorerst nur für zwei Verhandlungstage geplanten Prozess komme es darauf an, ob das Gericht eine Beweisaufnahme zulasse, sagt Rechtsanwalt Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender des bundesweit tätigen Vereins Deutsche Kinderhilfe Direkt.

"Ich erwarte von den Richtern, dass sie sich die Mühe machen und neue Gutachter befragen, ob bei den Eltern zur Tatzeit das Mordmerkmal vorlag." Nach Auskunft des Cottbuser Landgerichtssprechers Ralph Matzky ist bisher jedoch keine Beweisaufnahme vorgesehen. Die Verteidigung ließ vorerst offen, ob sie Beweisanträge stellen wird.

Immer dünner und stiller

Dennis war das siebte von elf Kindern. Die Frau und ihr sechs Jahre jüngerer Ehemann hatten in der Wohnung acht Kinder zu versorgen. Sie kümmerten sich laut Urteil nicht viel um den kleinen Dennis, so dass dieser immer dünner und stiller wurde und kurz vor Weihnachten 2001 an Auszehrung starb. Der sechs Jahre alte Junge wog nur noch fünf Kilogramm.

Seine Mutter versteckte den Leichnam - wie sie im ersten Teil des Prozesses zugab - in einer defekten Kühltruhe. Die Mutter hatte der Familie erzählt, der Junge sei erkrankt und in eine Klinik bei Berlin gebracht worden. Alle glaubten ihr.

Weder Jugendamt noch Schulamt bemerkten das lautlose Verschwinden. Das Verbrechen kam erst nach zweieinhalb Jahren ans Tageslicht, als eine Mitarbeiterin des Sozialamtes Verdacht schöpfte und die Polizei rief. Anwohner nennen die Dennis' Familie seit dem bundesweit beachteten Prozess "Eisfamilie".

Die arbeitslosen Eltern sind seit dem Urteilsspruch auf freiem Fuß. Sie leben mit drei großen Kindern im Alter von 20, 21 und 22 Jahren in einer Fünf-Zimmer-Plattenbauwohnung im Cottbuser Stadtteil Sandow. Ihre drei kleineren Kinder im Alter von acht, neun und zehn Jahren sind in einem Heim.

Wenn die Cottbuser Richter der Argumentation ihrer Leipziger BGH-Kollegen folgen, müssen die Eltern wegen Totschlags bis zu 15 Jahre hinter Gitter. Neben vielen anderen Menschen hofft man auch im Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in Brandenburg, dass die Cottbuser Richter diesmal wieder deutliche Worte finden.

"Der BDK erwartet von der anstehenden erneuten Urteilsfindung, dass auch im Interesse aller kindlichen Opfer von Straftaten der gesetzliche Rahmen ausgeschöpft wird", betont Pressesprecher Gerd-Christian Treutler.

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