Fall Debra Milke:Umarmung nach 23 Jahren

Debra Milke Renate Janka US-Justiz

Erste Berührung nach 23 Jahren: Debra Milke und ihre Mutter Renate Janka.

(Foto: Jones, Skelton & Hochuli)

"Wir haben beide gezittert": Fast ein Vierteljahrhundert hat die gebürtige Berlinerin Debra Milke in einer US-Todeszelle verbracht, jetzt ist sie vorläufig frei und hat zum ersten Mal ihre Mutter wieder in den Arm nehmen können. Seither lässt sie deren Hand nicht mehr los.

Ein Vierteljahrhundert hatte Renate Janka ihre Tochter nur in der orangefarbenen Sträflingsuniform des Arizona State Prison gesehen, immer nur durch eine Scheibe aus dickem Panzerglas hindurch. Zum ersten Mal seit fast 25 Jahren hielt Renate Janka am Sonntagabend ihre Tochter wieder im Arm: Debra "Debbie" Milke, verurteilte Mörderin, Todeszellenkandidatin, mutmaßliches Justizopfer. Am Freitagabend war die gebürtige Berlinerin nach unzähligen abgewiesenen Wiederaufnahmeanträgen und jahrelangen Verfahren vorläufig freigelassen worden, das Verfahren gegen sie wird neu aufgerollt.

Das Wiedersehen mit ihrer Tochter sei ein "Moment gewesen, den wir lange, lange in unserem Leben herbeigesehnt haben, und als es so weit war, konnten wir uns nicht mehr loslassen." So schildert es Janka in einer Pressemitteilung von Milkes Anwaltskanzlei. Mutter und Tochter haben alle Interviewanfragen abgewiesen und stattdessen dieses eine Pressestatement, ein Foto und ein Video verbreitet. Laut der Mitteilung sagte Janka, die am Sonntag aus Deutschland nach Phoenix geflogen war, weiter: "23 Jahre lang habe ich sie nur in Orange gesehen, in dem düsteren Gefängnisumfeld und jetzt, plötzlich, stand sie vor mir, eine schöne Frau, hübsch angezogen mit bunter Kleidung. Wir haben beide gezittert." Jedes Mal, wenn sie sich nun sähen, sagte Janka, "hält sie meine Hand".

Jedes Jahr flogen Janka und ihr Lebensgefährte aus Karlsruhe in Baden-Württemberg nach Arizona, um ihre Tochter im Gefängnis zu besuchen. Im vergangenen Jahr wurden sie auf ihrer Reise von einem Fernsehteam des Bayerischen Rundfunks begleitet.

Abgesehen von der Viertelmillion Dollar, die als Kaution hinterlegt wurden, muss Milke etliche Auflagen erfüllen. Sie trägt eine elektronische Fußfessel, die sie zunächst ungläubig bestaunt haben soll - die rasante technische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte hat sie nur aus der Ferne mitbekommen. Sie darf nach 21 und vor sechs Uhr nicht ausgehen, keinen Alkohol trinken.

Milke war 1990 gemeinsam mit zwei Männern wegen Mordes zum Tode verurteilt worden. Sie soll zwei Bekannte damit beauftragt haben, ihren vierjährigen Sohn Christopher zu töten. Milkes Verurteilung stützte sich damals auf die Aussage eines Polizisten, dem sie ihre Beteiligung angeblich gestanden hatte. Ein unterschriebenes Geständnis gibt es aber ebenso wenig wie Tonaufnahmen oder Zeugen. Milke hat immer wieder ihre Unschuld beteuert.

Vor Milkes Freilassung am Freitag sagte die zuständige Richterin Rosa Mroz laut Arizona Republic, dass es "ernsthafte Zweifel an der Gültigkeit des angeblichen Geständnisses der Angeklagten" gebe. Ob die umstrittene Aussage des Polizisten bei der Neuauflage des Prozesses als Beweis zugelassen wird, will Mroz den Angaben zufolge bei einer Anhörung am 23. September klären.

Der Beginn des neuen Prozesses gegen Milke ist für den 30. September angesetzt.

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