Süddeutsche Zeitung

Ungewöhnliche Verpackung:Warum ein Fahrradhersteller seine Kartons mit Fernsehern bedruckt

Ein niederländischer Unternehmer hatte Schwierigkeiten mit seinen Lieferungen in die USA - bis sein Bruder sich einen Kniff einfallen ließ.

Interview von Hannes Vollmuth

Eine der drängendsten Fragen im Leben eines postmodernen Menschen: Soll man sich mit der vermittelten Realität der Medien zufriedengeben (Traumschiff, Facebook, Katzenvideos) - oder gibt es da draußen vielleicht doch noch viel mehr? Womit man beim Niederländer Taco Carlier wäre, 41 Jahre alt und Gründer des Fahrradunternehmens Vanmoof. Wer gerade bei Vanmoof in Amsterdam ein Fahrrad bestellt, bekommt nämlich einen Karton geliefert, auf dem ein Fernseher zu sehen ist. Wieso?

SZ: Herr Carlier, Ihr Unternehmen stellt eigentlich Fahrräder her. Trotzdem drucken Sie Fernseher auf Ihre Verpackung.

Taco Carlier: Sie müssen wissen, wir exportieren auch in die USA. Und da haben wir gemerkt, dass unglaublich viele Fahrräder kaputt und defekt bei Kunden ankommen. Amerikanische Kurierfahrer sind nicht gerade zimperlich, was Fahrräder betrifft. Irgendwann mussten wir einsehen: Jedes vierte Rad kommt defekt beim Kunden an.

Und deshalb haben Sie einen Fernseher auf die Verpackung gedruckt?

Wir hatten keine andere Wahl. Versand und Transport in die USA sind unglaublich teuer. Bei einem Defekt müssen wir das Fahrrad zurück nach Europa bringen lassen, dann wieder ein neues Fahrrad schicken, was von den Transportunternehmen mit Sicherheit wieder genauso behandelt wird. Wir hatten eigentlich fast schon beschlossen, das USA-Geschäft aufzugeben. Aber dann sagte plötzlich mein Bruder ...

... "Lasst uns einen Fernseher auf die Verpackung drucken?"

Genau.

Und dann?

Das war die Lösung. Unsere Kartons sind sehr groß, genauer gesagt haben sie dieselben Ausmaße wie die Verpackung eines unglaublich großen und teuren Fernsehers. Innerhalb kürzester Zeit gingen die Reklamationen in den USA um 80 Prozent zurück.

Um 80 Prozent?

Es klingt hart, aber die Wahrheit ist: In den Vereinigten Staaten ist ein Fernseher viel wichtiger und wertvoller als jedes Fahrrad. Deshalb gibt man auch auf einen verpackten Fernseher viel mehr acht als auf ein verpacktes Fahrrad.

Und jetzt ist auf jedem Ihrer Fahrradkartons ein Fernseher zu sehen?

Genau. In Europa war die Reklamationsrate nie so krass wie in den USA, aber auch hier spüren wir den Fernseher-Effekt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eines unserer Fahrräder heil ankommt, ist mit einem Fernseher auf der Verpackung einfach am größten.

Es gibt keine Ausnahmen?

Mir fällt nur Japan ein. Japaner gehen fast mit allem sorgsam um. Egal, was man auf die Verpackung druckt.

Haben Sie einen Fernseher zu Hause?

Nein.

Und Ihnen fehlt nichts?

Meine Philosophie ist eher: Komm mit der Welt in Kontakt, indem du dich aufs Fahrrad setzt. Wenn ich in einer Stadt bin, miete ich mir als allererstes ein Fahrrad. Da bekomme ich dann einen viel besseren Eindruck von allem, als wenn ich U-Bahn fahren würde.

Was ist Ihrer Meinung nach die beste Fahrradstadt?

In Europa definitiv Berlin: breite Straßen, flach, viel Platz.

Und die schrecklichste?

London.

Warum denn das?

Zu viele Autos, die viel zu schnell fahren und sich an keine Regeln halten. Ich bin in mehr als 100 Städten auf der Welt geradelt. In London habe ich nach einer Stunde kapituliert. Zu gefährlich.

Was man vom Sitzen vor einem Fernseher ja nicht behaupten kann.

Ha! Der war gut. Wenn Sie von der fehlenden Bewegung und den Sachen, die dort gezeigt werden, mal absehen, haben Sie recht.

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Quelle:
SZ vom 07.02.2019/aner
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